Kirchenhistoriker: Kyrill ökumenisch „endgültig disqualifiziert“

Politisch hat sich das Moskauer Patriarchat an den Kreml gekettet. Das hat Folgen für den ökumenischen Dialog. Rufe nach Konsequenzen werden lauter.

Blumen für den Diktator: Patriarch Kyrill gratuliert Wladimir Putin zu 15 Jahren im Amt
Blumen für den Diktator: Patriarch Kyrill gratuliert Wladimir Putin zu 15 Jahren im AmtImago / Zuma Wire

Die verschärfte Kriegsrhetorik des Moskauer Patriarchats sollte nach Auffassung des Berliner Ostkirchenkundlers Reinhard Flogaus Folgen für die Zusammenarbeit der Kirchen haben. Mit der Qualifizierung des russischen Bombenterrors in der Ukraine als „Heiliger Krieg“ habe sich Patriarch Kyrill I. „endgültig ökumenisch disqualifiziert“, schreibt der Dozent der Berliner Humboldt-Universität in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“.

Der Ökumenische Rat der Kirchen müsse aus diesen Äußerungen Konsequenzen ziehen. Welche, ließ Flogaus offen. Es wäre aber folgerichtig, wenn auch die EU Sanktionen gegen den Moskauer Patriarchen verhängen würde, schreibt der evangelische Theologe.

„Heiliger Krieg“ in der Ukraine

Der Wissenschaftler zitiert aus einem Ende März beschlossenen Grundsatzdokument des kirchennahen „Weltkonzils des Russischen Volkes“ (WKRV), in dem eine staatliche Unabhängigkeit der Ukraine kategorisch ausgeschlossen werde. Russlands Krieg in der Ukraine sei demnach „aus spiritueller und moralischer Sicht ein Heiliger Krieg“. Es gehe dabei um eine „Verteidigung des einheitlichen geistigen Raums der Heiligen Rus'“ gegen den „Ansturm des Globalismus“ und den Westen, „der dem Satanismus verfallen“ sei. Der Moskauer Patriarch Kyrill I. ist Vorsitzender des WKRV. Flogaus vermutet, dass Kyrill auch einer der Hauptautoren der Erklärung ist.

Auf Linie mit Putin

Der Wissenschaftler sieht das Moskauer Patriarchat ideologisch auf einer Linie mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Putin habe in einer Rede vor dem WKRV den Zerfall der Sowjetunion als „eine ‚künstliche, erzwungene Teilung dieser großen russischen Nation, einer Dreieinigkeit aus Russen, Belarussen und Ukrainern'“ bezeichnet, so der evangelische Theologe. „Besser lässt sich die irredentistische und imperialistische Funktion des Narrativs der ‚Russischen Welt‘ für die gegenwärtige Politik des Kremls und seine Verwurzelung im Mythos der ‚Heiligen Rus‘, im russischen Nationalismus des 19. Jahrhunderts und im Sowjetimperialismus des 20. Jahrhunderts kaum zusammenfassen.“

Die früher vom Moskauer Patriarchat abhängige Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK) habe frühzeitig auf die Grundsatzerklärung des WKRV zur „Gegenwart und Zukunft der Russischen Welt“ reagiert. Ihr Außenamt habe erklärt, „ein solcher Aufruf zur ‚Zerstörung der Ukraine‘ und eine solche ‚Rechtfertigung der militärischen Aggression‘ seien ‚unvereinbar mit der Lehre des Evangeliums‘.“ Die Bezeichnung der sogenannten militärischen Spezialoperation als „Heiliger Krieg“ widerspreche den Prinzipien der christlichen Moral und könne nicht von Menschen befürwortet werden, „die sich selbst als Kleriker bezeichnen“.