Kirchen suchen nach neuen Wegen

Nicht überraschend, aber einschneidend sind die Ergebnisse der Freiburger Studie über die Entwicklung der Mitgliedszahlen. Die gute Nachricht: Die Kirchen können noch gegensteuern.

Die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland könnte sich einer wissenschaftlichen Prognose zufolge bis zum Jahr 2060 halbieren.
Die Zahl der Kirchenmitglieder in Deutschland könnte sich einer wissenschaftlichen Prognose zufolge bis zum Jahr 2060 halbieren.epd-grafik

Kiel. Weniger Kirchenmitglieder, das bedeutet nicht automatisch weniger gesellschaftliche Relevanz – das sagt der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, angesichts der frappierenden Zahlen, nach denen die Kirchen bis 2060 rund die Hälfte ihrer Mitglieder verlieren könnte. „Die christlichen Kirchen bleiben weiterhin die größte nicht-staatliche Organisation in Deutschland“, sagte Bedford-Strohm in Brüssel. „Und ich bin sehr sicher, dass die Kirche gerade in Zeiten, in denen Orientierung mehr denn je gefragt ist, Gehör finden wird.“

Ein Rückgang von knapp 60 Prozent

Die Zahl der Mitglieder der evangelische Nordkirche könnte einer wissenschaftlichen Prognose zufolge bis zum Jahr 2060 erheblich zurückgehen. Der Studie nach hätte die Nordkirche 2035 rund 1,42 Millionen Mitglieder, 2060 noch 855.000. Das wäre ein Rückgang von knapp 60 Prozent. Ende 2017 gehörten 2.027.751 Menschen zur Nordkirche. Die Projektion schreibe bereits bekannte Ergebnisse bisheriger Untersuchungen fort, sagte Synodenpräses Ulrike Hillmann in Kiel, wo sie die Studie gemeinsam mit Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt erläuterte. Neu seien jedoch Hinweise darauf, wie die Kirche aktiv auf die vorausberechneten Entwicklungen reagieren kann.

Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) haben die Studie „Kirche im Umbruch – Projektion 2060“ veröffentlicht. Darin hat das Forschungszentrum Generationenverträge (FZG) der Albert-Ludwig-Universität Freiburg eine koordinierte Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung für die evangelische und die katholische Kirche vorgelegt. Danach werden sich Mitgliederzahlen und finanzielle Möglichkeiten beider Kirchen bundesweit bis 2060 etwa halbiert haben.

EKD-Studie: Demografischer Wandel nur eine Ursache

In der Studie wurden auch für die Nordkirche Kirchenmitgliederzahlen, Taufen, Sterbefälle, Wanderungsbewegungen, Aufnahmen und Austritte sowie Angaben zur alters- und geschlechtsspezifischen Kirchensteuerzahlung berücksichtigt. Weniger als die Hälfte des Rückgangs geht auf den demografischen Wandel zurück. Stärker wird sich auswirken, wie viele Menschen getauft werden, aus der Kirche aus- oder in die Kirche eintreten. Nicht ganz so stark wäre demnach der Rückgang, wenn man von einer Erhöhung von Taufen und Aufnahmen um 10 Prozent und einer Verringerung der Austritte um 10 Prozent ausgehe, hieß es. In der „Positiven Variante“ rechne man mit 1,49 Millionen Mitgliedern 2035 und 967.000 im Jahr 2060.

Pop-Up-Church und Tauffest

Die Nordkirche habe bereits Prozesse begonnen, um diesem Trend entgegenzuwirken, sagte Synodenpräses Hillmann. Beispielsweise würden bereits Schwerpunkte für das kirchliche Leben beraten und Rahmenbedingungen der Personalplanung an künftige Entwicklungen angepasst.

In Stadt und Land würden neue Wege erprobt, um als Kirche und Diakonie in der Nähe erlebbar und ansprechbar zu sein, sagte Landesbischöfin Kühnbaum-Schmidt. Dazu wolle sie ausdrücklich ermutigen – und ebenso dazu, bisher bewährte Formen kirchlicher Arbeit fortzusetzen. „Entscheidend ist, dass das, was geschieht, zu den jeweiligen Situationen und Menschen passt. Es soll und darf deshalb auch ganz unterschiedlich sein.“

Eine einheitliche Strategie, die sich flächendeckend umsetzen ließe, gebe es aus ihrer Sicht nicht. Als Beispiele nannte sie die Pop-Up-Church, die in ungewöhnlicher Weise auf Menschen zugehe, das Tauffest zu Pfingsten am Hamburger Elbstrand mit 500 Täuflingen und die Segensfeiern für konfessionslose Jugendliche an der Evangelischen Schule St. Marien in Neubrandenburg. (epd)