Kirche lädt zum Deichgespräch im Strandkorb

Strandkörbe sind nicht nur dazu da, um die Sonne zu genießen. In Tossens (Niedersachsen) lädt die Kirche deshalb den Sommer über in „Zuhör-Körbe“ ein.

Drei Ehrenamtliche aus Tossens warten am Deich auf Zuhörer.
Drei Ehrenamtliche aus Tossens warten am Deich auf Zuhörer.Dietmar Reumann-Claßen

„Ab ins Körbchen“ heißt es ab sofort für Urlauber am Friesenstrand des niedersächsischen Nordseebades Tossens: Dort hat die kirchliche Urlauberseelsorge zwei Strandkörbe als „Zuhör-Körbe“ aufgestellt, in denen Menschen spontan mit geschulten Zuhörern ins Gespräch kommen können.

In der Hochsaison von Juni bis August haben Ehrenamtliche mittwochs, donnerstags und freitags jeweils von 12 bis 16 Uhr ein offenes Ohr für ihre Mitmenschen. „Die Idee hat Claudio Schrock-Opitz von der Tourismus-Service-Gesellschaft Butjadingen aus Ostfriesland mitgebracht“, erzählt Pastor Dietmar Reumann-Claßen aus Nordenham.

Seelsorge im Strandkorb: Projekt ausgeweitet

Das Projekt gefiel ihm so gut, dass das Angebot nun auch im Butjadinger Ortsteil Tossens Premiere hatte. In dem ökumenischen Projekt ist außerdem die katholische Gemeinde Butjadingen dabei.

„Vorab habe ich einen Aufruf gestartet, wer Lust hätte, sich für Gespräche schulen zu lassen“, sagt der Pastor. „So ist ein Team von 18 Ehrenamtlichen zusammen gekommen.“ Am Strand wurden zwei Strandkörbe über Eck gestellt, und die Helfer wechseln sich damit ab, im „Zuhör-Korb“ zu sitzen und für Redewillige bereit zu sein.

Die Sorgen sind auch im Reisegepäck

Denn wer in den Urlaub fährt, nimmt nicht nur Eimer und Schaufel, sondern auch seine Sorgen mit. „Wer möchte, kann sich dann von der Seele reden, was ihn bedrückt“, erklärt Reumann-Claßen. „In den angegebenen Zeiten ist stets jemand da, der Zeit hat und zwei offene Ohren.“

Gesprochen werden könne über alles von alltäglichen Themen bis zu persönlichen Fragen. „Oft kann man sich Unbekannten eher öffnen als Bekannten. Die Gespräche bleiben vertraulich.“ Hintergrund des Angebotes sei, dass es vielen Menschen gut tue, wenn sie jemanden hätten, dem sie etwas erzählen könnten. Andere hören gerne zu. „Die ehrenamtlichen Zuhörer haben als Motivation angegeben, dass sie neugierig auf andere Menschen sind und sich freuen, Leute kennenzulernen.“

Damit sie ihrer Aufgabe gerecht werden können, sind alle Ehrenamtler vorher geschult worden. „Sie sollten lernen, wie sie auch extremen Situationen gewachsen sind“, sagt der Theologe. Er erwartet, dass das eher selten der Fall sein wird. „Die Menschen tasten sich erst einmal heran.“

Menschen haben Redebedarf

Attraktiv sei, dass durch die „Zuhör-Körbe“ ein Schutzraum abseits und doch mitten im Strandleben angeboten werde. Als Beichtstuhl sieht Reumann-Claßen das neue Format eher nicht. „Wer beichten will, kann das natürlich tun, aber im Vordergrund steht eine andere Motivation.“

Er merke bei seiner Arbeit in der Gemeinde, dass Menschen nach der Corona-Pandemie und nach dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine sehr viel Redebedarf hätten. Dem kommen die „Zuhör-Körbe“ am Tossener Deich entgegen.

„Wenn sich herausstellt, dass jemand weitergehende Hilfe braucht, geben die Zuhörer auch Adressen für professionelle Beratungsstellen weiter.“ Die Gespräche würden offen, empathisch und in respektvoller Distanz geführt. Nach sechs Wochen soll es ein Treffen geben, bei dem eine erste Bilanz gezogen werden soll, wo es Änderungsbedarf gebe. „Das alles geschieht unter Wahrung der Verschwiegenheit.“

Die „Zuhör-Körbe“ sind beschriftet und zusätzlich an wehenden Strandbannern zu erkennen, die auf die Kirche am Deich hinweisen. Und auch wenn mal kein Strandwetter sei: „Das Projekt ist stimmig“, sagt Reumann-Claßen, „das ist ein gutes Angebot der Kirchen. Mal sehen, wie es angenommen wird.“

Termine finden sich hier.