Kardinal Marx: Kreuz ist Zeichen der Versöhnung und des Miteinanders

Führende Vertreter der beiden großen Kirchen haben in ihren Karfreitagspredigten an Hoffnungsmomente auch in Kriegszeiten erinnert. Bei einem Besuch in einem nordirakischen Flüchtlingslager vor ein paar Jahren habe ihm ein Streitschlichterprojekt für Kinder gezeigt, wie gut es sich für die Betroffenen anfühle, „den Kreislauf der Gewalt zu durchbrechen, die Lage unter Kontrolle zu bringen, anderen Sicherheit zu geben“, sagte der evangelische Münchner Regionalbischof Thomas Prieto Peral in der Kreuzkirche München-Schwabing laut Manuskript.

Prieto Peral ist Mitbegründer der Stiftung „Wings of Hope“, die Trauma-Arbeit für Menschen in Kriegs- und Krisengebieten anbietet. Seine Predigt mit Pfarrerin Elke Wewetzer wurde im Radio auf Bayern1 und im Deutschlandfunk übertragen. An Karfreitag erinnern Christen in aller Welt an den Kreuzestod Jesu.

Pfarrerin Wewetzer fragte, ob Jesu Kreuzestod angesichts der immer noch existierenden „eiskalten mörderischen Gewalt“ und Massakern an unschuldigen Menschen irgendetwas verändert habe. „Ich finde für mich immer noch keine Antwort, die dauerhaft trägt“, räumte sie ein. Dennoch helfe ihr die Erzählung von Jesu Kreuzigung, die Augen nicht zu verschließen vor Unrecht.

Der katholische Münchner Erzbischof Reinhard Marx sagte in seiner Predigt im Liebfrauendom, dass viele Menschen Religionen nicht mehr als Werkzeuge des Friedens sähen, sondern als „Aggressionsverstärker und Polarisierer, die Menschen voneinander trennen“. Religionen dürften in politischen Konflikten weltweit nicht weiter instrumentalisiert werden. „Es ist ein Skandal, wenn Religionen zum Unfrieden beitragen“, sagte der Kardinal.

Er bedauere, dass die ursprüngliche Hoffnung auf eine friedlichere Welt, die viele aus dem Dialog der Religionen geschöpft hätten, nicht erfüllt worden sei. Dennoch brauche es weiterhin den interreligiösen Dialog, in dem auch die Verschiedenheit der Religionen betont werde, mahnte Marx.

Für die Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski ist der Karfreitag ein Tag des stummen Entsetzens und der stummen Ratlosigkeit. Jesus habe sich von Gott verlassen gefühlt, als er in der neunten Stunde der Kreuzigung „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ gesagt habe. Gottverlassenheit sei etwas Furchtbares – aber viele Menschen fühlten angesichts weltweiter Krisen und Kriege genau dies, sagte Bornowski in der Ansbacher St. Gumbertuskirche. Aber: „Selbst, wenn wir an Gottes Nähe zweifeln und an seinem Schweigen verzweifeln, bleibt er Herr über Himmel und Erde.“ Dies gelte es an Karfreitag auszuhalten: „Aus Respekt vor Gott und den vielen, die immer noch leiden und sterben.“

Der evangelische Regensburger Regionalbischof Klaus Stiegler bezeichnete in der Dreieinigkeitskirche den Karfreitag als „zentralen Tag“ des christlichen Glaubens. „Im Konzert der Religionen ist das Kreuz zum Erkennungszeichen und Symbol des Christentums geworden.“ Der Karfreitag halte den Raum offen für alles, „was uns im Leben zusetzt“ – bis hin zu unvorstellbarer Unmenschlichkeit und grausamer Gewalt.

Die islamistischen Fundamentalisten, die vor einer Woche in Moskau 137 Menschen erschossen hatten, hätten nur ein Ziel gehabt: „Menschenleben vernichten. Hass säen!“ Religiös und politisch verblendete Menschen schreckten vor nichts zurück. „Die östliche Ukraine und der Gaza-Streifen sind moderne Schädelstätten.“ Werde die eigene Religion oder Nation zum höchsten Wert gemacht, schreckten Menschen auch vor abgründigsten Untaten nicht zurück, sagte Stiegler.

Der Bamberger katholische Erzbischof Herwig Gössl sagte, dass das Kreuz Jesu für einen göttlichen Perspektivwechsel stehe. „Damit wird die unendliche Spirale von Gewalt und Gegengewalt durchbrochen, werden der sich ständig steigernde Hass und alle Rufe nach Rache und Vergeltung überwunden“, sagte Gössl im Bamberger Dom. Unter dem Kreuz werde Versöhnung möglich, Vergebung und Neubeginn. (00/1025/29.03.2024)