Kanzler Scholz: Jüdisches Leben muss selbstverständlich sein

Der Gemeindetag des Zentralrats der Juden bekommt vier Tage lang Besuch von hochrangigen Politikern. Jetzt war der Bundeskanzler da. Er formulierte ein deutliches Versprechen und einen Wunsch.

Nach Überzeugung von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) muss jüdisches Leben in Deutschland eine Selbstverständlichkeit sein. „Dieser Gemeindetag muss für unser ganzes Land ein Fest der Selbstverständlichkeit des jüdischen Deutschlands sein. Genauso selbstverständlich, genauso alltäglich, letztlich genauso unspektakulär wie das Deutschland jedes anderen Glaubens und auch Nichtglaubens“, sagte Scholz am Samstagabend in Berlin auf einer Gala beim fünften Gemeindetag des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Es müsse selbstverständlich sein, dass das eben zu Ende gegangene Lichterfest Chanukka zu Deutschland gehöre – so wie Weihnachten und das muslimische Zuckerfest. Dasselbe gelte für Synagogen, betonte der Kanzler. Dass Menschen in Deutschland untrennbar zusammengehörten, wollten noch zu viele nicht verstehen oder sogar nicht akzeptieren.

„Die Bilder feiernder Zustimmung, die Bilder öffentlicher Terrorunterstützung, die wir nach den schrecklichen Verbrechen der Hamas am 7. Oktober in Deutschland gesehen haben, sind alarmierend, und sie sind beschämend“, sagte Scholz und betonte zugleich: „Unser Rechtsstaat nimmt das nicht hin.“ Unter anderem würden diejenigen mit den Mitteln des Strafrechts verfolgt, die Terrorismus unterstützten und antisemitisch hetzten.

Scholz bezeichnete Solidarität und Empathie als Basis einer offenen Gesellschaft. „Wir alle haben die Aufgabe, uns jeden Tag richtig zu entscheiden: für Empathie, für Solidarität, für ein offenes Ohr und ein offenes Herz. Das ist die Basis unserer offenen Gesellschaft, unseres Zusammenlebens.“

Um Empathie sowie Interesse an „Breite und Vielfalt des Judentums“ zu wecken, bleibe Bildung ein Schlüssel: „Unwissenheit und Uninformiertheit verstärken Vorurteile“, so der Kanzler. Zur Bildung gehöre auch, mehr über das Leben der jüdischen Gemeinden zu wissen: „Wir sind Bürgerinnen und Bürger desselben Landes, wir sind Nachbarinnen und Nachbarn, Arbeitskolleginnen und -kollegen.“

Die Großveranstaltung Gemeindetag mit etwa 1.400 Teilnehmenden hatte am Donnerstag begonnen und dauert noch bis Sonntag. Scholz hatte sich vor der Gala mit Zentralratspräsident Josef Schuster und Ehrenamtlichen des Zentralrats-Projektes „Meet a Jew“ zu einem vertraulichen Austausch getroffen. Zur Eröffnung des Gemeindetags hatten bereits Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Israels Botschafter Ron Prosor gesprochen.

Schuster bezeichnete den Besuch des Bundeskanzlers als Zeichen der Solidarität mit der jüdischen Gemeinschaft nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und nach einem starken Anstieg antisemitisch motivierter Vorfälle auch in Deutschland. Schuster forderte unter anderem, dass die Bundesregierung auch bei den Vereinten Nationen fest an der Seite Israels stehen solle. Deutschlands bisheriges Verhalten dort nannte er ein Wabern zwischen den Stühlen. Scholz betonte: „Deutschland steht an der Seite Israels.“ Und: „Alle können sich auf Deutschland verlassen.“

Die Gesellschaft dürfe sich nicht spalten lassen, mahnte Schuster: Die jüdische Gemeinschaft trete ein für eine offene Gesellschaft. „Wir treten gerade nach den verstörenden Bildern nach dem 7. Oktober gegen eine Pauschalisierung der Muslime in diesem Land ein.“