Kanäle, Kirchen, Kletterrosen

Ob Kultur, Geschichte oder Wassersport – Lübeck bietet etwas für jeden Geschmack

Hansestadt Lübeck – wer dabei an Thomas Mann denkt, liegt natürlich richtig. Aber in der alten Kaufmannsstadt zwischen Trave und Wakenitz gibt es weit mehr zu entdecken als nur die Geschichte der „Buddenbrooks“.

Der Abend ist lau, und die Uferwiese an der Wakenitz ist voller Menschen. Eine Gruppe Jugendlicher übt Jonglieren. Frauen sitzen mit Weingläsern und Kerzen auf einer Decke. Ein paar Kinder kühlen sich noch im Fluss ab. Vom nahe gelegenen Sportplatz dringen die Rufe der Volleyball-Spieler herüber.

Lübeck ist ein wunderbarer Ort für alle, die das Wasser lieben. Die berühmte Altstadtinsel mit ihren markanten Kirchtürmen liegt zwischen den beiden Flüssen Trave und Wakenitz sowie mehreren Kanälen. Das Naturschwimmbad am Krähenteich ist sogar so zentral gelegen, dass  man einen Stadtbummel mit einem erfrischenden Bad unterbrechen kann. Wer sich lieber auf dem als im Wasser bewegt, findet Kanu- und Kajak-Stationen; auch die so beliebten Bretter fürs Standup-Paddeln kann man dort ausleihen. Und für alle, die sich lieber fahren lassen, gibt es noch die Ausflugsboote nach Travemünde oder in den Ratzeburger See.

Natürlich ist Wasser nicht das Einzige, das Lübeck so sehens- und liebenswert macht. Bekannt ist die alte Hansestadt vor allem für ihre gut erhaltene mittelalterliche Altstadt inklusive der sieben Kirchtürme, die ihr Panorama prägen. Prachtvolle Backsteinhäuser mit eleganten Fassaden zeugen vom Reichtum und Selbstbewusstsein der Kaufleute, die die Stadt groß gemacht haben. Fast noch schöner aber sind die engen, kopfsteingepflasterten Gassen mit ihren rosenberankten Fachwerkhäusern – oder die „Gänge“, oft kaum mannshohe Durchschlupfe, durch die man in idyllische Hinterhöfe gelangt.

Die sieben Kirchtürme gehören zu den fünf evangelischen Hauptkirchen, die sich auf der Altstadtinsel befinden. Die bedeutendste ist die Marienkirche, die „Mutter der Backsteingotik“, erbaut in den Jahren 1277 bis 1351 auf dem höchsten Punkt der Insel. Ihr imposantes Äußeres, vor allem die monumentale Fassade mit den beiden Türmen, verweist auf den Machtanspruch der Lübecker Bürgerschaft, die sich einen architektonischen Wettstreit mit der Kirche des Bischofs, dem Dom, lieferte. Das Innere der Kirche dagegen ist erstaunlich leicht und licht; die gotischen Pfeiler wirken filigran in ihrer aufstrebenden Höhe; die restaurierten Fresken lassen erahnen, wie farbig die Kirche ursprünglich einmal gestaltet war.

Besonders beeindruckend ist das Mahnmal, das an den Bombenangriff durch die Royal Air Force im März 1942 erinnert. In dieser Nacht sterben mehr als 320 Menschen; rund ein Fünftel aller Gebäude fallen den Bomben oder den darauffolgenden Bränden zum Opfer – so auch das Dach und das Gewölbe der Marienkirche. Die berühmte Orgel, auf der bereits die Barockkomponisten Dietrich Buxtehude und wahrscheinlich auch Johann Sebastian Bach gespielt haben, verbrennt; ebenso Kunstwerke von unschätzbarem Wert. Die Glocken im Süderturm stürzen herab und zerschellen. Sie liegen heute noch genau an derselben Stelle wie damals – als Mahnung gegen Krieg und Gewalt.

Unzerstört blieb dagegen die Jakobi-Kirche einige Hundert Meter entfernt von St. Marien, und so sind als besondere Schätze auch die Große Orgel und die Stellwagen-Orgel erhalten, die beide in ihren ältesten Teilen auf das 15. Jahrhundert zurückgehen. Hören kann man sie zum Beispiel während des jährlichen „Lübecker Orgelsommers“, bei dem es im Juli und August fast täglich Orgelkonzerte in St. Marien, St. Jakobi, St. Aegidien sowie im Dom gibt.

Die alte Fischer- und Seefahrerkirche St. Jakobi ist eine Station des nördlichen Teils des Jakobswegs. Das zur Gemeinde gehörende Pilger-Café Camino in den Alten Pastorenhäusern versteht sich als Begegnungsort und bietet Speisen, die sich an den Stationen des Jakobswegs orientieren. Ein schöner Ort für eine Pause vom vielen Laufen und Staunen.

Kulturinteressierte erreichen von hier aus mit ein paar Schritten den beeindruckenden Bau des Heiligen-Geist-Hospitals, in dem man einen Eindruck von der Krankenpflege im Mittelalter bekommt. Auch zum Europäischen Hansemuseum und zur Katharinenkirche mit den bekannten Statuen des Bildhauers Ernst Barlach ist nicht weit. Ein Stück abwärts in Richtung Trave verläuft die Straße „Engelswisch“, durch die man in den „hellgrünen“ und „dunkelgrünen Gang“ kommt; eine idyllische kleine Welt, versteckt in miteinander verbundenen Hinterhöfen. Der „Engelswisch“ verdankt seinen rätselhaften Namen übrigens nicht putzenden Himmelsgeschöpfen, sondern den nahen Anlegeplätzen der nach England fahrenden Handelsschiffe an der Trave in Kombination mit dem niederdeutschen Wort für „Wiese“.

Wer zur Abwechslung gern in außergewöhnlichen Geschäften stöbert, geht zurück in Richtung Marienkirche und dann in Richtung Kanal, durch die Hüxstraße oder Fleischhauerstraße. Hier gibt es jede Menge kleiner Boutiquen, Lebensmittelläden und mehr oder weniger alternativer Kneipen – sowie die beste Eisdiele Lübecks, deren beliebteste Sorten oft schon am frühen Nachmittag ausverkauft sind.

Übrigens ist Lübeck sowohl zu Fuß als auch mit dem Rad wunderbar zu erkunden. Außerdem ist die Stadt Ausgangspunkt für mehrere Radwanderrouten, etwa entlang der Wakenitz oder des Elbe-Lübeck-Kanals oder an der Ostseeküste in Richtung Kiel. Und wer  Wasser und Land verbinden möchte, radelt bis zum Ratzeburger See und lässt sich von der Fähre mitsamt dem Rad gemütlich wieder zurückschippern. Mehr Erholung geht nicht.