Jottesdienst up Plattdietsch im Brandenburger Fläming

Die „einfache“ Sprache Platt gab es auch im Fläming. Pfarrer Schönfeld aus Wiesenburg spricht regelmäßig jetzt Gottesdienst auf Platt. Zur Freude der alten Fläminger.

Pfarrer Schönfeld in WIesenburg vor Plakat "Kerke oapen"
Pfarrer Schönfeld in WIesenburg vor Plakat "Kerke oapen"Susanne Atzenroth

„Das Flämingisch Platt gehört genauso zu unserer Landschaft wie die Feldsteinkirchen“, findet Pfarrer Stephan Schönfeld. Seitdem er 2015 die Pfarrstelle im Brandenburgischen Wiesenburg (Kirchenkreis Mittelmark-Brandenburg) antrat, engagiert er sich für den Erhalt der Niederdeutschen Sprache. „Es fiel mir schon bei den ersten Beerdigungsgesprächen auf, dass noch einige Menschen untereinander Flämingisch Platt sprachen“, berichtet Stephan Schönfeld. Flamen, die hier im 12. und 13. Jahrhundert eingewandert waren, hatten die Sprache entscheidend mitgeprägt. Diese Laute gingen dem Pfarrer sofort ins Ohr, hatte er doch zum Einfluss des Niederländischen Kirchenbaus in Brandenburg und Sachsen-Anhalt promoviert und dazu auch die Sprache erlernt. „Daraus konnte ich mir viele Worte im Flämingischen Platt erschließen“, berichtet Stephan Schönfeld.

Flämingisch Platt im Gottesdienst

Schnell war der Wunsch nach einem plattdeutschen Gottesdienst geboren, doch die Vorbereitung erwies sich als schwierig. „Eine plattdeutsche Liturgie, auf die ich hätte zurückgreifen können, hat es nie gegeben“, erklärt der Pfarrer. Niederdeutsch, auch Plattdeutsch genannt, sei immer eine Alltagssprache gewesen, die zu Hause gesprochen wurde. In der Kirche habe man sich eher am Lutherdeutsch orientiert.

„Platt“, das bedeutet so viel wie „einfach“ oder „schlicht“.

Tatsächlich kommt diese Sprache mit sehr reduzierter Grammatik aus, zudem war sie immer eine gesprochene Sprache ohne klare Schriftregeln. „Platt eignet sich nicht für wissenschaftliche Dispute, aber für eine bodenständige Predigt mit klaren Aussagen und einer Prise Humor ist es genau richtig“, findet Stephan Schönfeld. Unterstützung bekam er schließlich bei Gemeindeglied Erika Lehmann aus Reetz. In der dortigen Kirche, eine seiner sechs Predigtstellen, sollte auch der „Jottesdienst up Plattdietsch“ stattfinden. Die betagte, aber rüstige Reetzerin war noch mit dem Flämingischen aufgewachsen und übersetzte ihm mündlich Satz für Satz seiner Predigt.

Feldsteinkirche Wiesenburg
Feldsteinkirche WiesenburgIMAGO / Steinach

Für die Lieder griff Stephan Schönfeld auf das „Plattdüütsch Gesangbook“ der Arbeitsgemeinschaft plattdeutscher Pastoren zurück. „Das Flämingische“, erläutert der Pfarrer, „unterscheidet sich in der Aussprache von weiter nördlich gesprochenem Platt. Und sogar jedes Dorf hat einen etwas anderen Dialekt.“ Aber bei Liedern und Liturgie würde man sich trotzdem verstehen, so Schönfeld. Das von ihm ins Platt übertragene „Vater unser“ und das Glaubensbekenntnis „Ik glowe an Jott“ finden sich übrigens auf der neuen Webseite „Plattdüütsch in de Kirch“ von der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO). Ute Eisenack ist die Leiterin der Arbeitsgemeinschaft Plattdeutsch in der Landeskirche. Worüber sich der Pfarrer besonders freut: Dort wird auch bald eine eingesprochene Audiodatei von Erika Lehmann zu hören sein.

Regionale Verbundenheit zu Platt

Inzwischen gibt es das Angebot der plattdeutschen Gottesdienste zwei bis drei Mal im Jahr in der Region. „Auch Menschen mittleren Alters interessieren sich dafür“, bemerkt Stephan Schönfeld. Oft hätten sie noch die Großeltern Platt sprechen gehört und fühlten sich mit der Sprache verbunden – selbst wenn es nicht mehr ihre eigene Muttersprache ist. Auch Pfarrer Schönfeld erschließt sich die gesprochene Sprache erst nach und nach, nutzt dabei sein Wissen aus dem Kirchlichen Oberseminar in Potsdam „Bei der Zweiten Lautverschiebung hat sich vor etwa 1 500 Jahren das Hochdeutsch vom Niederdeutsch abgespalten. Das geschah so, dass einzelne Laute anders ausgesprochen wurden. So wurde beispielsweise das t zu z (tied zu Zeit) oder p zu f (Lerpel zu Löffel).“ Damit könne er sich die Worte hin- und herverwandeln. Trotzdem bliebe es eher ein „Esperanto-Platt“, gibt er schmunzelnd zu. Nur ganz wenigen Menschen ist das Flämingische heute noch geläufig. Dabei weiß er aus seiner Gemeinde: Bis zum Zweiten Weltkrieg sprachen kaum die Hälfte der Kinder überhaupt Hochdeutsch bei ihrer Einschulung. Auch wenn sich das Vergessen wohl nicht aufhalten lässt – seinen Teil zur Bewahrung der plattdeutschen Sprache möchte Stephan Schönfeld beitragen. So gibt es in seiner Gemeinde neben den Gottesdiensten auch zweisprachige Briefbögen und Hinweisschilder, etwa am Schaukasten und vor der offenen Kirche. Die nächsten „Jottesdienste up Plattdietsch“ mit Pfarrer Stephan Schönfeld finden statt am: 20. August um 10.30 Uhr in Reetz, am 15. Oktober 9.30 Uhr in Fredersdorf.

Susanne Atzenroth ist freie Autorin