Jesuiten in Bolivien: Versäumnisse bei Missbrauchsaufarbeitung

Die katholische Kirche in Bolivien wird von einem weiteren Missbrauchsskandal erschüttert. Die betroffenen Jesuiten gehen in die Offensive und bitten die Staatsanwaltschaft, in dem Fall tätig zu werden.

In Bolivien sorgen Enthüllungen über Missbrauchstaten eines inzwischen gestorbenen katalanischen Geistlichen für Entsetzen. Der Jesuiten-Pater Luis Maria Roma Pedrosa soll nach einem Bericht von “Los Tiempos” Dutzende überwiegend indigene Mädchen missbraucht und dies schriftlich festgehalten haben. Zudem soll es entsprechende Fotografien der Opfer geben. Die spanische Zeitung “El Pais” berichtete überdies, dass seit Jahrzehnten einschlägige Hinweise innerhalb der Ordensgemeinschaft nicht richtig oder gar nicht aufgearbeitet worden seien.

Die Jesuiten räumten ein, es habe tatsächlich Versäumnisse gegeben. So seien in der Angelegenheit vorgeschriebene Maßnahmen nicht ergriffen worden. Sprecher Sergio Montes sprach in diesem Zusammenhang von einem “trägen und nachlässigen” Vorgehen der zuständigen Akteure innerhalb des Ordens.

Ein eigener Leitfaden legt eigentlich fest, dass “bei Kenntnis eines wahrscheinlichen Falles von sexuellem Missbrauch” die Staatsanwaltschaft sofort eingeschaltet werden muss. Das ist offenbar nicht geschehen. Zudem gaben die Jesuiten zu, dass die Kommunikation mit den mutmaßlichen Opfern nicht in angemessener Weise erfolgt sei. Nun hat sich der Orden eigenen Angaben zufolge an die Staatsanwaltschaft gewandt und sie aufgefordert, den Vorwürfen auf den Grund zu gehen.

Die Behörden wären allerdings ohnehin tätig geworden. Erst kürzlich hatte die Staatsanwaltschaft eine Aufnahme von Ermittlungen wegen möglicher Missbrauchsvertuschung angekündigt. Laut Medienberichten hatten die bolivianischen Behörden bereits 2019 ermittelt. Zu einer Anklage kam es damals jedoch nicht – angeblich wegen fehlender Beweise. Schließlich starb Pater Luis Maria Roma Pedrosa im selben Jahr im Alter von 84 Jahren.

Boliviens Generalstaatsanwalt Juan Lanchipa Ponce erklärte jüngst, er sehe jetzt die Möglichkeit, Zeugen zu finden, die bei der Wiederaufnahme der Untersuchung helfen könnten. Neue Ansätze biete ein von “El Pais” veröffentlichtes Tagebuch, in dem der verstorbene Priester den Missbrauch von Kindern im Alter zwischen acht und elf Jahren beschrieben habe. Hinzu kommt, dass der Beschuldigte vor seinem Tod ein Geständnis bei einem Notar hinterlegt haben soll. Bei den neuen Ermittlungen soll es nicht zuletzt darum gehen, wer wann welche Kenntnisse von den Taten erlangte – und womöglich eine Aufarbeitung verhinderte.

Schon vor rund einem Jahr hatte ein ähnlicher Fall für Aufsehen in Bolivien gesorgt. Damals berichtete “El Pais” – ebenfalls auf Basis eines Tagebuchs – über Missbrauchsdelikte des 2009 gestorbenen spanischen Jesuiten-Paters Alfonso Pedrajas.