Israelische Forscher: “Zwei-Staaten-Lösung wäre ein Desaster”

Der Nahostkonflikt scheint verfahrener denn je. Vor allem die deutsche Politik beharrt seit Jahrzehnten auf einer Lösung, die israelische Wissenschaftler für unrealistisch halten.

Kann eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt das Ende der Gewalt sein? (Symbolbild)
Kann eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt das Ende der Gewalt sein? (Symbolbild)Imago / Xinhua

Zwei israelische Wissenschaftler haben sich gegen eine Zwei-Staaten-Lösung im Nahostkonflikt ausgesprochen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung bezeichnete der jüdisch-israelische Philosoph Omri Boehm dieses Konzept aus dem Oslo-Friedensprozess von 1993 als “Desaster” und “faulen Kompromiss”.

Die palästinensisch-israelische Jerusalemer Politikwissenschaftlerin Rula Hardal ergänzte, die Zwei-Staaten-Lösung beruhe auf dem Konzept der Trennung beider Völker. “Aber das ist nicht nur unmoralisch, sondern auch nicht realistisch.” Dafür sei das Leben von Juden und Palästinensern zwischen Jordan und Mittelmeer viel zu eng verflochten. Hardal leitet die israelisch-palästinensische Organisation “A land for All”.

Jerusalemer Politikwissenschaftlerin: “Wir stellen uns eine Art Föderation vor”

In dem Interview warben die beiden für einen neuen Ansatz. “Wir stellen uns eine Art Föderation vor”, so Hardal. Dafür müssten beide Seiten einen Teil ihrer Souveränität abgeben und sich über eine gemeinsame Verfassung verbinden, erläuterte Boehm. “Diese Verfassung muss für das gesamte Gebiet regeln, welche Gesetze legal sind und welche beispielsweise den Menschenrechten widersprechen oder dem Recht auf Bewegungsfreiheit.” Der Philosoph wies darauf hin, dass mehr als 20 Prozent der Bevölkerung Israels Palästinenser seien. Es gelte, die “katastrophale Logik” zu durchbrechen, wonach nur entweder die einen oder die anderen bleiben könnten.

Hardal sagte, die meisten Palästinenser wünschten sich eine demokratische, säkulare und liberale Gesellschaft. Politiker der Fatah könnten sich eine Konföderation gut vorstellen. Wie die Idee bei der Hamas gesehen werde, wisse sie nicht, “ich rede nicht mit ihnen”. Das könne sich aber ändern, wenn der Krieg vorbei sei. Hardal hält es für wahrscheinlich, dass sich die Hamas ähnlich wie Fatah und PLO von einer terroristischen zu einer politischen Organisation wandelt.

Zwei Staaten, aber eine Wirtschaftsunion mit gemeinsamer Währung

Boehm sagte, im Prinzip sei die Konföderations-Idee nicht neu. Schon der sogenannte UN-Teilungsplan von 1947 habe zwar zwei Staaten, aber eine Wirtschaftsunion mit Freizügigkeit, gemeinsamer Währung und gemeinsamer Gerichtsbarkeit vorgesehen.

Im Umgang mit dem 7. Oktober 2023 müsse sich nun bewähren, was es bedeute, einander als gleichberechtigte Subjekte zu sehen, fügte der Philosoph hinzu. Die Hamas habe “auch einen Anschlag auf die Idee des Zusammenlebens” verübt. Die Palästinenser müssten deutlich machen, “dass diese Verbrechen gegen ihre künftigen Mitbürger nicht zulässig sind”. Er, Boehm, müsse als jüdischer Israeli “klar sagen, dass wir nur zusammenleben können, wenn unsere eigenen Kriegsverbrechen geahndet werden”.