Internationaler Tag der Familien

Christina Maria Bammel, Pröpstin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, über die Stärkung von Familien.

Christina-Maria Bammel, Pröpstin der EKBO
Christina-Maria Bammel, Pröpstin der EKBOFotostudio Kauffmann

„Alle Soldaten woll`n nach Haus…“ sang Reinhard Mey vor 30 Jahren: von Igor, der zurück ins ferne Eriwan will, von Frank Kowalsky, der sich nach Texas zu Frau und Kind sehnt und von Jochen M., der sich mit der jungen Brigadeführerin aus der LPG 9. November an den schönsten Platz der Welt träumt, in eine Datsche am Stadtrand von ­Bitterfeld. Die Träume haben sich wahrscheinlich seitdem verändert. Die Sehnsucht nach Geborgenheit und Familie ist geblieben. Ist es Zufall, dass der Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung und der Internationale Tag der Familien auf dasselbe Datum fallen? Am 15. Mai ist es wieder soweit. Schauen wir auf den Aktionstag international rund um die Stärkung der Familien – ob zu zweit, zu dritt oder zu zehnt, ob Regenbogen oder Patchwork.

Kinder und die Pandemie

2023 steht der Familientag unter dem Motto des demographischen Wandels. Den werden wir nicht aufhalten. Aber wir wissen, dass Familie ein starkes Team sein kann, gerade auch in Krisenzeiten. Das zeigt die faszinierend vielseitige Fami­lienarbeit auch in unseren evange­lischen Gemeinden, Schulen, Kitas, Familienzentren, in der Diakonie, in der Kiezarbeit. Danke allen Engagierten für diesen unglaublichen Einsatz trotz oft so harten politischen Gegenwinds! Aber die Verunsicherungen und Rückzüge von ­Jugendlichen und Kindern infolge der Pandemie haben zugenommen, während die Erwachsenen in der Familie den Druck spüren, wieder voll und ganz funktionieren zu müssen. Und die älteren Erwachsenen verstehen die Welt nicht mehr angesichts ihrer zeitlich völlig überbuchten Kinder und Enkel.

Den Ängsten Namen geben

Schwer wiegt, dass mit den ­Corona-Regelungen nicht einfach die Spannungen und Verluste der Corona-Zeit weggefallen sind. Familien spüren vermehrt die Long-­Covid-Auswirkungen. Höchste Zeit also, sich gegenseitig zuzuhören, den neu entstandenen Ängsten ­Namen zu geben und ihnen ihre Macht zu nehmen. Das ist jetzt dran. Geborgenheit ist die kostbare Ressource der Familie. Und Zeit. Von ihr scheint fast immer zu ­wenig da zu sein! Und wenn sie da ist, schläft der Papa tiefenerschöpft nach dem Sandmann vor dem Kinderbettchen auf dem Teppich ein.

Unternehmen wissen längst, dass Familienfreundlichkeit nicht beim Wickeltisch oder beim eingerichteten Spielzimmer aufhört. Ideen und Mut sind gefragt und mehr Willen zum Experiment. Die Vier-Tage-Woche wäre da zum Aus­probieren dran. Ein Luxusthema zur Unzeit? Nein, ein Beziehungs- und Bindungsthema. Also, wenn dafür keine Zeit ist, wofür dann?