In Niedersachsen war die Reformation weiblich

War die Reformation eine reine Männersache? In Niedersachsen auf keinen Fall. Hier sorgte eine Frau vor fast 500 Jahren dafür, dass große Teile des Landes evangelisch wurden. Ein kleiner Rückblick auf das Leben der Herzogin Elisabeth von Calenberg.

Herzogin Elisabeth von Calenberg-Goettingen mit ihrem Ehemann Herzog Erich I. von Braunschweig-Lüneburg
Herzogin Elisabeth von Calenberg-Goettingen mit ihrem Ehemann Herzog Erich I. von Braunschweig-LüneburgVerlag Jörg Mitzkat / epd

Hann. Münden. Sie wurde früh verheiratet und wehrte sich gegen eine Nebenbuhlerin. Sie setzte willensstark ihre Interessen durch und starb doch arm und einsam. Das bewegte Leben der Reformationsfürstin Elisabeth von Calenberg-Göttingen (1510-1558) mutet an wie ein Roman. "Ich brauchte gar nichts zu erfinden", sagt die Schriftstellerin Eleonore Dehnerdt aus Hann. Münden. In ihrem Buch "Elisabeth. Die Reformatorin" hat Dehnerdt die Biografie der Frau nacherzählt, die dafür sorgte, dass Südniedersachsen evangelisch wurde. Zum Reformationsjubiläum Ende Oktober wird ihr Roman über die "Mutter der Reformation", wie sie oft genannt wird, neu aufgelegt. 
"Das ist eine total interessante Frau, die leider total vergessen wurde", betont Dehnerdt. Mit ihrem Buch will sie daran erinnern, dass auch Frauen die Reformation vor 500 Jahren tatkräftig mitgestalteten. Unterstützung erhält sie dabei von der Theologin Margot Käßmann, Reformationsbotschafterin der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). "Herzogin Elisabeth von Calenberg war eine große Persönlichkeit der Reformation", schreibt Käßmann auf dem Buchcover. "Ihre Umsicht, ihr Durchsetzungsvermögen und ihre Führungsqualität beeindrucken bis heute."  

Treffen mit Luther

Die Herzogin, Tochter des streng katholischen Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg, wurde schon im Alter von 15 Jahren mit dem 40 Jahre älteren und kinderlos verwitweten Herzog Erich I. vermählt, der in Neustadt am Rübenberge bei Hannover residierte. Mit ihm bekam sie vier Kinder. Doch die Ehe geriet in die Krise.
Als sich Erich wieder einer früheren Geliebten zuwandte, griff seine Frau zu einem damals gängigen Mittel: Sie klagte die Rivalin Anna Rumschottel 1533 als Hexe an. Anna überlebte, war aber aus dem Feld geschlagen. Elisabeth aber wurde immer mächtiger, denn Erich musste zur Versöhnung mit seiner selbstbewussten Ehefrau Macht und Geld abtreten.
Von der evangelischen Lehre, die sich überall in Deutschland verbreitete, hörte die Herzogin durch ihre Mutter, die Schwester des dänischen Königs Christian II., der ein glühender Verehrer Martin Luthers war. Elisabeth, die in Hann. Münden bei Göttingen residierte, traf Luther mehrfach persönlich. 1538 bekannte sie sich offen zum evangelischen Glauben. Luther schenkte ihr eine deutsche Bibelübersetzung mit persönlicher Widmung. 

Rein religiöse Motive

Bereits zwei Jahre später starb Elisabeths Mann, der streng katholische und kaisertreue Herzog Erich. Mit 30 Jahren war sie nun Witwe – doch machtpolitisch hatte sie als Regentin freie Bahn. Und die nutzte sie, um die Reformation in ihrem Fürstentum durchzusetzen. Sie übernahm die Vormundschaft für ihren minderjährigen Sohn Erich II., brachte Adelige, Städte und Klöster hinter sich und berief den evangelischen Prediger Antonius Corvinus (1501-1553) aus Hessen als Landessuperintendenten nach Südniedersachsen.  
Dieser schuf eine evangelische Kirchenordnung, die Elisabeth 1542 in Kraft setzte. Alle damals rund hundert Pfarrer der Region wurden nun auf das lutherische Bekenntnis verpflichtet. Corvinus überwachte dies durch Visitationen vor Ort. Klöster wurden in evangelische Stifte umgewandelt. "Sie hat sehr klug agiert", urteilt der Kirchenhistoriker Professor Hans Otte aus Hannover. Finanzielle Interessen wie andere Fürsten habe Elisabeth dabei nicht gehabt: "Bei ihr waren das religiöse Motive." 
Das lässt sich auch an ihren Werken ablesen, denn die Fürstin war unter anderem schriftstellerisch aktiv. Sie dichtete geistliche Lieder, verfasste politische und religiöse Schriften. Als umfassend gebildete und zugleich machtorientierte Frau repräsentiere Elisabeth einen "neuen Typ von Herrscherinnen", schreibt die Historikerin Sylvia Weigelt. Ihr reformatorisches Werk blieb stabil und überdauerte alle Versuche, das Rad der Geschichte wieder zurückzudrehen. 
Ganz anders endete ihr persönliches Leben: 1546 heiratete Elisabeth ein zweites Mal – diesmal den drei Jahre jüngeren Grafen Poppo von Henneberg aus Thüringen. Doch die Ehe wurde nicht glücklich. Verarmt und verbittert starb sie 1558 im thüringischen Ilmenau. (epd)