Artikel teilen:

Imam: Anerkennung Palästinas als Staat ist überfälliger Schritt

Als größte jüdische Tragödie seit der Shoah hat der Penzberger Imam Benjamin Idriz den 7. Oktober 2023 bezeichnet. Für das jüdische Volk markiere dieser Tag „eine tiefe Wunde, die sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt hat“, erklärte Idriz am Montag in einem Schreiben mit der Überschrift „Persönliche Reflexionen zu Gerechtigkeit, Frieden und Verantwortung“. Zugleich falle es vielen Muslimen und Arabern schwer, dieses Leid anzusprechen, weil das Leid des palästinensischen Volkes seit mehr als 70 Jahren andauere. Die Anerkennung von Palästina als Staat durch mehrere Länder sei nun „ein symbolischer, aber längst überfälliger Schritt“.

Am 7. Oktober vor zwei Jahren hatten Hamas-Terroristen Israel überfallen, rund 1.200 Jüdinnen und Juden ermordet und über 240 Menschen als Geiseln verschleppt. 48 von ihnen befinden sich noch immer in der Gewalt der Hamas. Der Angriff löste den Krieg zwischen Israel und der Hamas aus, dem im Gaza-Streifen Zehntausende Menschen zum Opfer fielen.

Idriz verurteilte den Angriff der Hamas auf Israel als „unislamisch“: Wer Unschuldige töte, verschleppe oder als Geiseln halte, widerspreche „dem moralischen und rechtlichen Kodex des Koran“. Der Imam kritisierte aber auch Deutschlands „bedingungslose“ Rückendeckung Israels im Gaza-Krieg, die zwar „aus historischer Perspektive nachvollziehbar“, aber in ihrer Konsequenz „oft schmerzhaft einseitig“ sei. Viele Stimmen im Westen sprächen über den 7. Oktober, als sei davor alles friedlich gewesen. „Doch Gaza war schon lange zuvor das größte Freiluftgefängnis der Welt“, betonte der Vorsitzende des Münchner Forums für Islam.

Der aktuelle Krieg in Gaza mit zehntausenden Toten gelte „in der moralischen Wahrnehmung von Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen“ als „genozidales Verbrechen größten Ausmaßes“, schrieb der Theologe. Um das Leid in Gaza zu erkennen, müsse man weder Muslim, Christ, Jude, andersgläubig noch nichtgläubig sein, schrieb Idriz: „Es genügt, Mensch zu sein.“

Die deutsche Politik, die sich durch Waffenlieferungen an Israel am Gaza-Krieg „faktisch beteiligt“ habe, könne ihre Fehler noch „durch Selbstreflexion, Empathie und politisches Umdenken“ korrigieren. Die Mehrheit der Bevölkerung wünsche sich eine Politik, „die Brücken baut, nicht Mauern“, erläuterte Idriz, der auch Mitglied im Sprecherrat des Münchner Rats der Religionen ist.

Deshalb trügen deutsche Politikerinnen und Politiker nun die Verantwortung dafür, das Vertrauen der Muslime zurückzugewinnen, die Kluft zwischen den Religionsgemeinschaften zu überwinden und eine Politik zu gestalten, „die Gerechtigkeit als universalen, nicht selektiven Wert begreift“. Verantwortung gelte gemäß Grundgesetz allen Menschen, unabhängig von Herkunft, Religion oder politischer Zugehörigkeit, schrieb der Imam: „Menschenrechte sind universell – oder sie sind gar nichts.“ (3103/06.10.2025)