„Ihr seid nicht vergessen“

„Lieber Kfir, wir beten alle, dass du bald wieder zusammen mit deinem Vater, deiner Mutter und deinem Bruder zuhause bist.“ Oder: „Liebe Agam, wir denken an dich jede Sekunde. Wir beten für dich. Wir lieben dich so sehr.“ Der einjährige Kfir Bibas und die 19-jährige Agam Berger sind zwei Israelis, die am 7. Oktober 2023 von der radikalislamischen Hamas verschleppt wurden. Niemand weiß genau, wo sie sich befinden, wie es ihnen geht oder ob sie noch am Leben sind.

Um die Erinnerung an die 130 Geiseln, die sich noch immer in der Gewalt der Hamas befinden, wachzuhalten, hat die israelisch-niederländische Künstlerin Inbar Hasson ein Projekt unter dem Titel „Coming Home Soon“ entwickelt. Von Freitag (12. April) an ist es eine Woche lang bis 18. April in der ehemaligen Karmeliterkirche in der Münchner Innenstadt zu sehen. Im Zentrum des Projekts stehen 220 Bücher – eines für jede Geisel. Sie wolle verhindern, dass das Schicksal der Geiseln vergessen werde, sagt Hasson.

Zusammen mit sieben weiteren Frauen in den Niederlanden hat sie die Biografien der Geiseln zusammengetragen. Viele Angehörige hätten von dem Projekt gehört und seien von selbst auf sie zugekommen, erzählt sie. In den Büchern können die Besucher der Ausstellung mehr über die Geiseln erfahren und am Ende „Botschaften von Hoffnung, Unterstützung, Mut und Liebe“ hinterlassen. Hinter jeder Geisel stecke eine ganz eigene Geschichte, die erzählt werden soll, betont Hasson. „Sie sind nicht vergessen.“

Das Projekt wurde bereits in Amsterdam gezeigt, einzelne Bücher auch in London, New York oder Paris. Die Biografien sind auch abrufbar unter www.cominghomesoon.online. Dort können ebenfalls Botschaften hinterlassen werden. Auf diese Weise sind bereits Tausende Nachrichten zusammengekommen. Die Bücher und die gesammelten Nachrichten sollen anschließend den Familien der Geiseln und freigelassenen Geiseln überreicht werden.

Nach München geholt hat die Ausstellung die Israelitische Kultusgemeinde München und Oberbayern. Der Schmerz über den Anschlag und die Geiselnahme „hat uns seit einem halben Jahr nicht losgelassen, die Frage, wann ihre Angehörigen die Verschleppten endlich wieder in die Arme schließen können, beschäftigt uns jeden Tag“, sagt Präsidentin Charlotte Knobloch. Die Ausstellung sei eine Erinnerung daran, dass die Geiseln und ihre Familien Unterstützung weiterhin brauchten – menschlich und politisch.

Dem kann Inbar Hasson nur zustimmen. Es müsse alles drangesetzt werden, auch die restlichen Geiseln, unter denen sich mehrheitlich Juden, aber auch Christen, Muslime und Hinduisten befinden, zu befreien. „Die Uhr tickt“, mahnt Hasson mit Blick auf die fast sechs Monate, die bereits seit dem Anschlag vergangen sind. Einige Geiseln sind bereits freigekommen, einige sind tot – auch das lässt sich alles in der Ausstellung nachlesen. Die Bücher freigekommener wie ermordeter Geiseln werden dort speziell gekennzeichnet. Einigen Geiseln, die dem Horror der Hamas entkommen konnten, habe sie schon Nachrichten übergeben, erzählt Hasson sichtlich bewegt. „Einer der emotionalsten Momente meines Lebens.“

Noch sind 130 Israelis in der Gewalt der Hamas: Agam Berger ist laut Biografie eine „talentierte Geigerin“, die sich um Menschen mit Behinderung und Kindern mit Lernschwierigkeiten kümmert. Kfir Bibas ist – mit heute 15 Monaten – die jüngste Geisel. Als er mit gerade einmal neun Monaten verschleppt wurde, hat er gerade zu krabbeln begonnen, heißt es in seiner Biografie. Sein vierjähriger Bruder Ariel, sein Vater Yarden und seine Mutter Shiri wurden ebenfalls entführt. „Wir beten und hoffen, dass ihr alle bald nach Hause kommt.“ (00/1167/12.04.2024)