Hungerstreik im Regierungsviertel spitzt sich zu

Zwei Ingenieure sind vor dem Kanzleramt in den Hungerstreik getreten, einer ist im kritischen Zustand. Sie fordern ein Umdenken in der Klimakrise.

Die Ingenieure Wolfgang Metzeler-Kick (li.) und Richard Cluse sind vor dem Kanzleramt in den Hungerstreik getreten
Die Ingenieure Wolfgang Metzeler-Kick (li.) und Richard Cluse sind vor dem Kanzleramt in den Hungerstreik getretenepd-bild / Hans Scherhaufer

Der Hungerstreik zweier Klimaaktivisten im Berliner Regierungsviertel spitzt sich zu. Er sei bereit, seinen Hungerstreik bis zum Äußersten zu eskalieren, sollte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nicht auf ihre Forderungen eingehen, sagte der Münchner Ingenieur Wolfgang Metzeler-Kick auf einer Pressekonferenz in Berlin. Der 49-Jährige verlangt gemeinsam mit dem 57-jährigen Richard Cluse, einem Ingenieur aus Potsdam, vom Kanzler eine Regierungserklärung, in der er die Klimakatastrophe als existenzielle Menschheitskrise anerkennt und die Notwendigkeit eines radikalen Umsteuerns in der Klimapolitik einräumt.

Metzeler-Kick, der dafür bereits seit 30 Tagen hungert und nur Flüssigkeiten zu sich nimmt, nennt das eine niedrigschwellige Forderung, die sich auf anerkannte wissenschaftliche Erkenntnisse stützt. „Wir erwarten nur, dass die Bundesregierung endlich die Klimawissenschaft ernst nimmt und ehrlich zu den Menschen ist“, sagte der Ingenieur. Dazu gehöre, klar zu sagen, dass der CO2-Gehalt in der Luft viel zu hoch sei und Deutschland, anders als für das Erreichen des 1,5 Grad-Ziel notwendig, weiterhin zu viel CO2 ausstößt. Der Hungerstreik steht deshalb unter dem Motto „Hungern bis ihr ehrlich seid“.

Er hungere für die Ehrlichkeit und sei bereit zu sterben

Laut dem Sachverständigenrat für Umweltfragen vom 25. März sei das CO2-Budget Deutschlands bereits seit Anfang 2023 aufgebraucht, sagte der Ingenieur. CO2-Entnahme und -Endlagerung sei jetzt schon in gigantischem Ausmaß nötig und technisch möglich. Die „krachende Zielverfehlung der Bundesregierung“ mache diese Katastrophe nur noch schlimmer. Er hungere für die Ehrlichkeit und sei bereit zu sterben. Dann funktioniere wenigstens die Verdrängung dieses Themas nicht mehr, sagte Metzeler-Kick.

Unterstützt werden die Forderungen von Wissenschaftlern wie dem Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber und Wissenschaftsvereinigungen wie „Scientist Rebellion“. So wollen von Sonntag an etwa 20 Wissenschaftler von „Scientist Rebellion“ in einen zeitlich begrenzten solidarischen Fastenstreik treten, kündigte die Molekularbiologin Nana Maria Grüning von der Berliner Charité am Freitag an. An die Menschen appellierte sie, sich den Aktionen anzuschließen, um den Druck auf die Politik zu erhöhen.

Aktivisten campieren seit zwei Wochen vor dem Kanzleramt

Ärztinnen kümmern sich um die beiden Männer, die seit zwei Wochen in einem Zeltlager im Spreebogenpark gegenüber dem Kanzleramt campieren. Der gesundheitliche Zustand von Metzeler-Kick sei nach 30 Tagen Hungerstreik kritisch und könnte jederzeit kippen, sagte die Ärztin Susanne Koch. Richard Cluse, der seit zwölf Tagen keine Nahrung zu sich nimmt, sei gesundheitlich noch stabil.

Eine zeitnahe Kontaktaufnahme von Seiten des Bundeskanzleramtes mit den Hungerstreikenden wäre aus ärztlicher Sicht deshalb sehr wünschenswert, sagte die Ärztin. Bislang haben sich keine Vertreter der Regierungsfraktionen SPD, Grüne und FDP in dem Camp blicken lassen. „Generell wollen politisch motivierte Hungerstreikende und so auch Herr Metzeler und Herr Cluse im Rahmen ihres Hungerstreiks nicht sterben“, betonte Koch. Sie gingen diese gesundheitlichen Risiken ganz bewusst ein, um Aufmerksamkeit für ein existenzielles Thema zu erreichen.