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Hoffnungsträger und Versager: Nigerias Ex-Präsident Buhari ist tot

Nigerias Präsident Muhammadu Buhari hatte viele Facetten: Er galt als durchgreifender und Angst einflößender Militärherrscher, aber auch als zögernder “Baba go slow”. Jetzt ist er in London gestorben.

Politiker in Nigeria haben ihre eigene Taktik zum Machterhalt: Anders als in anderen Ländern bringen sie nicht ihre Söhne in zentrale Ämter, damit diese später an der Staatsspitze stehen. Sie tauchen – mitunter nach Jahrzehnten der Abwesenheit – wieder auf der politischen Bühne auf. So hat es auch Muhammadu Buhari gemacht. In den 1980er Jahren war er Militärherrscher, 30 Jahre später dann Präsident in der vierten Republik. Jetzt ist er 82-jährig am Sonntag in London gestorben, wie sein Sprecher Garba Shehu auf der Plattform X bestätigte.

Geboren in Daura im Bundesstaat Katsina kurz vor der Grenze zum Nachbarland Niger trat Buhari mit 20 Jahren den nigerianischen Streitkräften bei und absolvierte einen Teil seiner Ausbildung in Aldershot in England. Zurück in Nigeria, das erst im Jahr 1960 von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen worden war, machte er bald in der Armee Karriere. Zu seinen Vorgesetzten gehörte in den 1970er Jahren Militärherrscher Olusegun Obasanjo, der 1999 ebenfalls als zivil gewählter Präsident im Mehrparteiensystem die politische Bühne wieder betrat.

Das westafrikanische Land durchlebte in den 1970er Jahren zunächst einen Ölboom und Wohlstand. Mit dem Biafra-Krieg mit bis zu zwei Millionen Toten kam es aber auch zu einem der schwersten Bürgerkriege des Kontinents. Was die ersten Jahrzehnte der Republik außerdem prägten, war der regelmäßige Wechsel von Militärherrschaft zu ziviler Regierung.

Einmal war Buhari selbst verantwortlich: An Silvester im Jahr 1983 putschte er gegen Shegu Shagari und stand bis zum nächsten Staatsstreich von Ibrahim Babangida im August 1985 an der Spitze des bevölkerungsreichsten Staates des Kontinents – heute sind es rund 230 Millionen.

Buhari machte sich einen Ruf als Durchgreifer mit harter Hand. Legendär war sein Slogan “War Against Indiscipline” – Krieg der Disziplinlosigkeit. Er plante die Kürzung des Staatsbudget – nach dem Ölpreisverfall durchlebte Nigeria in den 1980er Jahren eine Rezession -, rief zu Disziplin auf und sagte der Korruption den Kampf an. Populär wurde er damit nicht. Weder verbesserten sich die Staatsfinanzen nachhaltig, noch wurden weniger Gelder veruntreut.

Nach seiner Absetzung 1985 und einiger Zeit im Hausarrest wurde es zunächst ruhig um Buhari. Ab 2003 wurde er erstmals nach der Rückkehr zum Mehrparteiensystem 1999 Präsidentschaftskandidat. Der Durchbruch gelang aber erst 2015. In den Vorwahlen des All Progressives Congress (APC) setzte er sich klar gegen seine Mitbewerber durch.

So zynisch es klingt: Hilfreich für ihn im Wahlkampf war auch das Erstarken der nigerianischen Terrorgruppe Boko Haram. Weltweit bekannt wurden die Islamisten im April 2014 mit der Entführung von 276 Schülerinnen in Chibok im Nordosten Nigerias. Die Regierung seines Vorgängers Goodluck Jonathan äußerte sich wochenlang weder dazu, noch unternahm sie etwas im Anti-Terrorkampf. Die Gruppe konnte sich weiter ausbreiten.

Buhari erhielt in den Monaten danach ungeahnte Unterstützung, nicht nur aus dem muslimischen Norden, sondern auch aus der Kulturszene. Autorin Lola Shoneyin machte beispielsweise für ihn Wahlkampf und das, obwohl ihr Vater während Buharis Militärherrschaft ein halbes Jahr im Gefängnis saß.

Die Hauptargumente für Buhari: Er kenne die Armee von innen und werde in Sachen Korruption – Experten zufolge beeinträchtigte auch diese den Anti-Terrorkrampf negativ – durchgreifen. Vor allem aber, so schrieb Shoneyin in einem Artikel für “The Guardian”, gelte er stets als bescheiden. Das betonten auch die Menschen in Daura, egal ob alter Schulfreund oder Neffe: Anders als für nigerianische Staatschef üblich hat sich Buhari in Daura keine Villa bauen lassen. Er selbst sagte vor dem Amtsantritt, Daura dürfe keine Geschenke von ihm erwarten.

Was die Popularität zunächst ankurbelte, war außerdem der friedliche Machtwechsel. Amtsinhaber Jonathan gratulierte Buhari umgehend, ein Novum für Nigeria.

Viel bieb jedoch von anfänglichen Enthusiasmus nicht: Der Naira, die Währung des Landes, schwächelte zunehmend, Nigeria rutschte schon im Jahr nach Buharis Wahl wieder in eine Rezession. Die fehlende Infrastruktur – Nigeria wächst jährlich etwa um die Größe von Dänemark – ließ sich nicht annähernd verbessern. Boko Haram wurde zwar zurückgedrängt, aber nicht besiegt. Mit der Splittergruppe ISWAP – Islamischer Staat in der Westafrikanischen Provinz – entstand 2016 zudem eine neue Terrormiliz. Buhari reagierte auf all das langsam und zögernd, was ihm den Spitznamen “Baba go slow” einbrachte.

Bei der Wahl vier Jahre später – Präsidenten dürfen laut Verfassung einmal wiedergewählt werden – war vom einstigen Enthusiasmus nichts mehr zu spüren. 2023 ging Buhari dann fast lautlos in den Ruhestand. Dass er in London starb, überrascht nicht. Schon während seiner Amtszeit verbrachte er manchmal Monate in Londoner Krankenhäusern.