Hilfskonvoi startet von Rendsburg nach Schlesien

Der polnisch-stämmige Pastor Withold Chwastek hat den Hilfstransport für Geflüchtete aus der Ukraine ins Leben gerufen – ihm geht es neben materieller Hilfe auch um Seelsorge für die aus ihrer Heimat vertriebenen Menschen.

Pastor Withold Chwastek und Kirchenkreis-Mitarbeiterin Susanne Van den Bergh mit einem Teil der Pakete, die von Rendsburg aus nach Polen transportiert werden.
Pastor Withold Chwastek und Kirchenkreis-Mitarbeiterin Susanne Van den Bergh mit einem Teil der Pakete, die von Rendsburg aus nach Polen transportiert werden.epd/Thorge Rühmann

Rendsburg/Warschau. Sie flüchten vor Krieg und Gewalt: Mehr als eine Million Menschen sind wegen der russischen Invasion aus der Ukraine nach Polen geflüchtet. Manche Familien bleiben dort, andere ziehen weiter gen Westen. Für die Betroffenen in der Grenzregion beider Länder sammelte auch der Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde Spenden: Aktuell ist ein vollbepackter Konvoi aus mehreren Fahrzeugen dorthin aufgebrochen, beladen mit Hilfsgütern wie Medikamenten, Verbänden, Sanitärartikeln. Und dem Willen, den Flüchtlingen auch seelisch beizustehen.

Mehrere Kirchengemeinden und Einrichtungen im Kirchenkreis sammelten zuvor Spenden für die betroffenen Menschen in der Krisenregion. Pastor Withold Chwastek, der selbst aus Polen stammt, hatte den Stein ins Rollen gebracht – nun hat er den Konvoi in die Diözese Cieszyn, auf deutsch Teschen, begleitet, um dort zu unterstützen. „Für mich ist das selbstverständlich – ein Auto­matismus: Da ist große Not, da will ich helfen“, sagt Chwastek. Es gehe schlicht um Nächstenliebe, wie sie in der Bibel steht. Er merke in Gesprächen, dass es vielen anderen auch so gehe. Nur wüssten sie häufig nicht, wie sie sich engagieren könnten.

Von Rendsburg bis an die ukrainisch-polnische Grenze sind es rund 1000 Kilometer; der Konvoi, den bis zu sechs Helfer begleiten, braucht für die Distanz etwa elf Stunden. Er bringt Material, das die aus Kiew, Charkiw und Mariupol Geflohenen dringend benötigen: darunter Verbandszeug, Medikamente, aber auch Mund-Nase-Masken und Windeln für Kleinkindern und ältere Menschen, weitere Hygiene- und auch Elektroartikel wie Powerbanks. Letztere dienen zum Aufladen der Handys, mit denen die Familien teils Kontakt zu ihren in der Heimat ausharrenden Verwandten halten können – zu kämpfenden Familienvätern, zu den für die Flucht zu alten Eltern.

Abgesehen von materiellen Dingen: Was brauchen die Vertriebenen nun am dringendsten? „Vor allem ein Obdach und Ruhe“, sagt Chwastek. „Das hängt mit den Dingen zusammen, die sie erlebt und gesehen haben und die sie verstören.“ Es gehe darum, den Menschen zu helfen, aber sie nicht zu überfordern. Und darum, die Menge an Geflüchteten zu schützen vor Missbrauch von scheinbaren Helfern. „Deswegen ist es auch wichtig, genau hinzusehen, wer da als ehrenamtlicher Helfer eingesetzt wird“, so der Theologe.

Gegen kollektive Beklemmung hilft Helfen

Vor 20 Jahren kam er nach Deutschland und arbeitet seit etlichen Jahren im Kirchenkreis Rendsburg-Eckernförde als Pastor. Die engen Kontakte nach Polen pflegt er weiterhin: Sein Bruder ist evangelisch-lutherischer Pastor in Warschau, seine Schwester Diakonin und angehende Pastorin ganz im Süden des Landes. Chwastek kennt die Region und nutzt sein Netzwerk, um die Hilfe vor Ort gezielt verteilen zu können. „Ein Teil des Materials wird unter den evangelischen Gemeinden je nach Bedarf verteilt“, sagt er. Ein weiterer Teil werde mithilfe des Militärpfarrers und ukrainischer Helfer direkt in die Ukraine weitertransportiert.

Die Stimmung in Polen sei angespannt, so der Theologe. Warschau sei mit Flüchtlingen überfüllt: Wer dort in der Hilfe für Geflüchtete aktiv sei, lebe derzeit wie in einem Hamsterrad. „Die Hilfsbereitschaft für Geflüchtete ist riesengroß“, fügt er hinzu. Gleichzeitig gebe es eine Überforderung – und dazu die „Angst vor dem, was möglicherweise kommen könnte aus dem Osten“. Doch es gebe ein Mittel gegen diese kollektive­ Beklemmung: anderen, denen es schlechter geht, zu helfen.

So engagieren sich viele Polen für die Ukrainer. Viele Geflüchtete erreichen zunächst Sammelunterkünfte. Von dort gelangen sie in private Unterkünfte, die auch Mitglieder aus den Kirchengemeinden zur Verfügung stellen. „Dort haben sie erst einmal Ruhe, werden materiell versorgt und haben dann die Möglichkeit, an einer Andacht teilzunehmen“, berichtet Chwastek. Und zwar unabhängig von der Religion, über Sprach- und Konfessionsunterschiede hinweg. Denn: „Seelsorge funktioniert auch ohne Worte.“

Auch Propst Sönke Funck aus Eckernförde engagierte sich, um Sachspenden für den Transport einzuwerben. Ihm zufolge würden nun im Kirchenkreis „Strukturen wiederbelebt, um die ankommenden Menschen zu unterstützen“. Pastor Chwastek indes hat die Hoffnung auf Frieden nicht verloren; dennoch richtet er sich darauf ein, ihnen für längere Zeit Hilfe zu leisten. „Unser Helfen ist auf Dauer angelegt – das Helfen beginnt nicht heute und endet morgen, sondern es ist ein langfristiger Prozess, und wir brauchen alle einen langen Atem dafür.“