Hier wird protestantisch protestiert

Zwei Tage vor der Bundestagswahl ist die Klimabewegung auf die Straßen gegangen. Unter ihnen sind auch norddeutsche Bischöfinnen – und der EKD-Rat unterbricht seine Sitzung für die Demonstration.

Durch die Hamburger Innenstadt mit der Hauptkirche St. Petri laufen die Demonstranten
Durch die Hamburger Innenstadt mit der Hauptkirche St. Petri laufen die DemonstrantenJulia Reiß

Hamburg/Schwerin/Hannover. Mehrere Zehntausend Menschen haben am Freitag im Norden im Rahmen des globalen Klimastreik-Tags von Fridays for Future für mehr Klimaschutz demonstriert. In Hamburg sprachen die Veranstalter von 80.000 Teilnehmenden, während die Polizei 26.500 Personen zählte. In Kiel gab die Polizei die Zahl der Teilnehmenden mit 4.000 an, in Schwerin sollen es 500 gewesen sein. Bundesweit waren Aktionen an mehr als 470 Orten geplant.

In Hamburg zog sich die Demo-Strecke über fünf Kilometer. Zeitweilig bildete der Demonstrationszug einen geschlossenen Kreis auf der Strecke. Die Veranstalter hatten die Fläche ausweiten müssen, weil mehr Teilnehmer kamen als erwartet. Eingeheizt wurde den Teilnehmenden mit Musik von Jan Delay, AnnenMayKantereit, Enno Bunger und Zoe Wees.

Kohle-Ausstieg bis 2030

Weitere Städte im Norden waren Lübeck, Rendsburg und Neustrelitz, und auch in kleinen Städten wie Barmstedt und Bargteheide gingen die Menschen auf die Straße, um zwei Tage vor der Bundestagswahl von Politik und Parteien einzufordern, das 1,5-Grad-Ziel einzuhalten und den Ausstieg aus der Kohle bis 2030 umzusetzen.

Nordkirchen-Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt beteiligte sich in Schwerin am Klimastreik. Es sei wichtig, als Kirche dabei zu sein, denn Klimaschutz und der Schutz des Lebens seien wichtige Themen für die Kirche. Zugleich wies sie auf die Herausforderungen beim Klimaschutz hin. Der globale Norden sei zu einem großen Teil mitverantwortlich für den Klimawandel und müsse sich deshalb finanziell engagieren für Klimaschutzmaßnahmen im globalen Süden.

Landesbischöfin verzichtet auf Flüge

Als Jugendliche habe sie begonnen, vegetarisch zu essen, sagte Kühnbaum-Schmidt. Auch heute noch ernähre sie sich vorwiegend vegetarisch. Vor etwa 25 Jahren sei sie das letzte Mal geflogen. Auf Flüge zu verzichten, sei eine bewusste Entscheidung. Seit Anfang 2021 nutze sie ein reines E-Auto als Dienstwagen. Privat habe sie zwar noch kein E-Auto, strebe dies aber an.

„Schüler dürfen am Sonntag noch nicht wählen gehen, deshalb sind sie heute auf der Straße“, sagte Frank Engelbrecht, Gemeindepastor an der Hauptkirche St. Katharinen, vor Beginn der Demonstration in Hamburg. Etwa 50 Menschen nahmen vor der Kirche an einer Andacht der ökumenischen Initiative „Churches for Future Hamburg“ mit Vaterunser, Gebet und Gesang teil.

Eine eindeutige Sprache

„Die Fakten und wissenschaftlichen Erkenntnisse sprechen eine eindeutige Sprache: Wir haben noch sieben Jahre, um unseren CO2-Ausstoß runterzufahren und die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu verhindern“, sagte Ulrike Eder, Referentin im Ökumenezentrum, bei der Andacht. Zudem hingen an vielen Kirchen in der Innenstadt Banner von „Churches for Future-Hamburg“.


Die Hamburger und Lübecker Bischöfin Kirsten Fehrs ging in Hannover auf die Straße: Fehrs ist Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der am Freitag in der niedersächsischen Landeshauptstadt tagte. Der Rat unterbrach seine Sitzung, um an der Kundgebung der Klimaschützer in der Innenstadt mit mehreren Tausend Menschen teilzunehmen.

Sitzung unterbrochen

„Als evangelische Kirche plädieren wir seit Jahrzehnten für beherztere Maßnahmen gegen den Klimawandel“, sagte der Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. „Deswegen freuen wir uns, das dieses Thema jetzt durch junge Leute ins Zentrum rückt.“ So wie bisher könne es mit dem Klimaschutz nicht weitergehen, betonte Bedford-Strohm, der auch bayrischer Landesbischof ist.

Es war das erste Mal, dass der 15-köpfige Rat eine Sitzung unterbrach, um an einer Demonstration teilzunehmen. „Fridays for Future“ habe ja zu einem allgemeinen Klima-Streik aufgerufen, sagte die Präses der EKD-Synode, Anna-Nicole Heinrich. Die Teilnahme des gesamten Rates zeige, dass der Einsatz für den Klimaschutz nicht nur eine Sache der Jüngeren sei, betonte die Studentin: „Das ist ein Thema, das uns alle generationenübergreifend betrifft.“ (epd)