Hier werden Puppen zum Leben erweckt

Peter und Claudia Röders gehören zu Deutschlands bekanntesten Puppenbauern. In ihrer Werkstatt entstehen Monster, Prinzessinnen und lebensgroße Maskottchen – für Theater oder Sportvereine.

Momentan arbeitet Puppenbauer Peter Röders an einem Drachen
Momentan arbeitet Puppenbauer Peter Röders an einem Drachenepd-bild / Evelyn Sander

Der Drache sieht noch blass aus, nur seine Füße sind schon knallgrün. Der Kopf aus einzelnen Schaumstoffteilen ist bereits zusammengeklebt, gerade werden die Ohren gebaut. „Später wird über Kopf und Körper grüner Stoff gespannt und festgenäht“, erklärt Puppenbauer Peter Röders, während er routiniert einen Schaumstoffstreifen an die Nase der großen Figur klebt.

Seit mehr als 50 Jahren gehören Peter Röders und seine Frau Claudia zu Deutschlands bekanntesten Puppenbauern. In ihrer Filmpuppen-Werkstatt im schleswig-holsteinischen Idstedt bei Eckernförde entstehen Drachen, Monster, Pferde, Koala-Bären oder Sportverein-Maskottchen – von 15 Zentimetern bis zu großen Figuren für Schauspieler.

Peter Röders war Samson aus der „Sesamstraße“

Rund einen Monat bauen die beiden an dem Drachen, der an ein Hotel ins Erzgebirge geht. „Wichtig ist, dass die Puppen möglichst leicht und luftdurchlässig sind“, sagt Peter Röders. Er weiß, worauf es ankommt. Schließlich schwitzte er selbst als Puppenspieler von 1978 bis 1983 für die Kindersendung „Sesamstraße“ im Fellkostüm von Samson. „Darin wurde es bis 40 Grad heiß“, erinnert er sich. Für die „Sesamstraße“ entwickelte er auch die Figur „Herr von Bödefeld“, eine Mischung aus Hund und Maus mit Wuschelhaaren. „Es war die einzige deutsche Figur in der Sesamstraße“, sagt Peter Röders.

Zum Puppenbau kam er eher zufällig: Als Heilpädagoge spielte er mit Marionetten für behinderte Kinder. Aber die Fäden hätten ihn einfach gestört. „Mit einer Handpuppe bin ich näher an den Kindern dran“, sagt er. Röders übernahm eine Puppenbühne in Kiel und entwickelte bald eigene Figuren. Seither versorgt er Puppenspieler, Freizeitparks und Sportvereine mit Puppen.

Erste Entwürfe modelliert er aus Ton, fertigt Negativ-Formen an und entwirft daraus ein individuelles Schnittmuster. Er tüftelt an Fernsteuerungen, Gestellen für lange Drachenhälse und wedelnde Hundeschwänze. „Jede Figur ist ein Unikat“, sagt Röders. „Besonders wichtig sind die Augen, sie müssen lebendig wirken“, sagt seine Frau Claudia, die für den Drachen eine goldfarbene Iris in eine weiß grundierte Plastikschale malt.

Puppenbauer haben keinen Liebling

Zu jeder Puppe haben die beiden eine emotionale Bindung, einen Liebling haben sie aber nicht: „Ich verliebe mich nicht in meine eigenen Puppen, sonst kann ich sie ja nicht weggeben“, erklärt Peter Röders und grinst. „Bei uns sitzen auch keine Puppen auf dem Sofa“, ergänzt Claudia Röders. Dafür hängen in der Werkstatt riesige lila Wuschelmonster unter der Decke, in jeder Ecke stapeln sich Zubehör-Kisten, Puppen, Stoffe und Rohlinge. Auf dem Regal hockt ein Rabe zwischen einer schlecht gelaunten Schnecke, dem Maskottchen der Expo 2000, und einer Einkaufstüte mit Mund und Augen.

Nach einem kurzen Einbruch durch die Corona-Pandemie hat das Ehepaar wieder alle Hände voll zu tun. Sie bauten die Drachen Nepomuk und Frau Mahlzahn für ein „Jim Knopf“-Opernstück, tierische Freunde für den TV-Raben Rudi und renovierten das Storch-Maskottchen von Holstein Kiel. Damit alles passt, stülpt sich Claudia Röders die Großfiguren immer wieder zur Anprobe über. „Ich habe eine gute Standard-Größe“, lacht sie, probiert den Drachen an und streicht über seinen dicken Bauch. „Die Puppenspieler müssen sich gut darin bewegen können“, weiß die 66-Jährige, die auch immer wieder alte Puppen renoviert.

In ihrer Werkstatt tüfteln Peter und Claudia Röders stundenlang
In ihrer Werkstatt tüfteln Peter und Claudia Röders stundenlangepd-bild / Evelyn Sander

Um die Puppen beim Spielen mit Leben zu füllen, müssen Bewegungen übertrieben sein, sonst stehe die Figur da einfach nur herum. „Wenn der Puppenspieler nicht gut ist, nützt die schönste Figur nichts“, sagt Peter Röders. Es sei eine eigene Kunst. Mittlerweile gebe es Studiengänge für das Fach Puppenspiel, zuvor hatte das Ehepaar selbst bundesweit Workshops organisiert.

„Puppentheater ist vielfältiger, als man denkt“, sagt Stephan Schlafke, zweiter Vorsitzender des Verbands Deutscher Puppentheater. Dass das Puppentheater durch die Digitalisierung verdrängt wird, glaubt er nicht: „Auch für die Kinder heute ist es etwas Besonders, Theater zu erleben.“

Aktuell sei Puppenspiel sehr gefragt. Nach letzten Verbands-Schätzungen geht er von bundesweit 600 Berufspuppenspielern aus. Neben Puppenbühnen, die vermehrt auch Erwachsenenstücke anböten, seien auch an städtischen Theatern immer mehr Puppen zu sehen.

Der 3D-Drucker hilft

Mit der Digitalisierung haben auch die Röders kein Problem, im Gegenteil: „Als die ersten 3D-Drucker auf dem Markt waren, habe ich gleich zugeschlagen“, erklärt der Puppendesigner. So kommen die Prinzessinnen-Kronen für die menschengroßen Playmobil-Figuren heute aus dem Drucker. Auch Röders Sohn Philip ist von Technik fasziniert, er hat Gamedesign studiert. Ob er die Werkstatt übernehmen wird, ist jedoch unklar.

Dabei denkt der 77-jährige Vater noch nicht ans Aufhören, im Gegenteil: „Am liebsten würde ich noch mal böse Drachen bauen“, sagt er. Aber jetzt ist er erst mal der niedliche Drache dran, dem noch die grüne Farbe und die Kopfausstattung fehlen. Peter Röders holt schon mal die Hörner.