„Hey, so kann Kirche sein!“

Über Christliches, aber auch Privates schreibt Pastorin Josephine Teske aus Büdelsdorf bei Rendsburg im Internet. Im Interview verrät sie, was die Kirche in den sozialen Medien richtig macht – und was noch fehlt.

Pastorin Josephine Teske kandidiert für den EKD-Rat
Pastorin Josephine Teske kandidiert für den EKD-RatMarc Hunold / epd

In Büdelsdorf bei Rendsburg arbeitet Josephine Teske als Gemeindepastorin, im Internet schreibt sie auf Instagram, Twitter rund Facebook unter @Seligkeitsdinge für ihre mehr als 16.000 Follower. Sie thematisiert ihr Leben als alleinerziehende Mutter, denkt aber auch über feministische Theologie nach. Jetzt ist sie auch Teil des Netzwerks „yeet“, unter dem die EKD kirchliche Aktivitäten im Netz bündelt.

Wie viele Menschen folgen Ihnen im Internet?
Josephine Teske: Ein bisschen mehr als 16.000. Es ist nicht besonders relevant, ich fand ich es sogar schön, als es weniger waren – weil ich da noch anders sein konnte. Aber es ist natürlich toll, dass ich als Christin so viele Menschen erreichen und ihnen zeigen kann: „Hey, so kann Kirche sein!“

Hat der Sonntags-Gottesdienst bei denen ausgedient?
Gottesdienst an sich hat auf gar keinen Fall ausgedient. Man kann auch nie alle Gemeinden über einen Kamm scheren – aber wenn ich in unsere Gemeindekirchen gucke, dann sitzen da die Senioren und meine Konfis, die ja zum Gottesdienst gehen müssen. Sogar die Eltern, die ihre Kinder zur Kirche bringen, würden nie auf die Idee kommen, mit reinzugehen.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Josephine (@seligkeitsdinge_) am


Woran liegt das?
Der Sonntagmorgen ist die einzige Zeit, wo wir mal ausschlafen, frühstücken und mit den Kindern zusammen sein können, ohne viel tun zu müssen. Vielleicht ist es auch ein Problem der Sprache und der Liturgie im Gottesdienst: So sehr ich selbst Liturgie liebe und mich hineinlehnen kann, so wenig spricht sie andere Menschen an. Was bedeutet das, was wir da singen? Wie reden wir im Gottesdienst? Klar kann ich die ganze Zeit Wahrheiten sagen von Auferstehung und Gnade – aber spricht es die Menschen noch an? Verstehen sie die Worte? Wir können immer darauf hoffen, dass der Geist der Bibel sich in den Leuten entfaltet, aber viele Menschen nehmen sich keine Zeit mehr, das auch zuzulassen. Kaum jemand geht mehr zehn Mal in den Gottesdienst, ohne etwas zu verstehen, aber innerlich kann etwas wachsen. So eine Chance geben die uns gar nicht mehr.

Sie sind schon seit Längerem „Sinnfluencerin“, feiern auf Instagram Gottesdienste und lassen ihre Abonnenten teilhaben – mitunter auch an sehr persönlichen Dingen. Wie kam es dazu?
Ich war bis zu meiner Ausbildung als Pastorin immer gegen Social Media. Im Vikariat waren aber alle bei Facebook, die Kommunikation lief darüber – ich meldete mich also auch an. Dann erfuhr ich von Instagram und begann, selbst über das Familienleben zu posten. Irgendwann habe ich gemerkt, dass das, was ich tue, andere Menschen anspricht. Ich habe beispielsweise viel Rückmeldung zu meinem Humor bekommen. Ich versuche, immer authentisch zu bleiben und auch meine Schwächen zu zeigen.

Geben Sie ein Beispiel von ihrem Humor?
Ich sollte eine ältere Frau zum Geburtstag besuchen und hatte mir ihre Hausnummer nicht aufgeschrieben. Ich habe gesucht und mich dabei vier, fünf Mal fotografiert, ob ich vor dem richtigen Haus stehe – doch es war immer falsch! Irgendwann hatte ich die richtige Tür gefunden und mich selbst als „Sherlock Holmes“ bezeichnet. Dann saß ich bei der Frau, mit Perlenkette und Pudel, es war schick dort. Sie hat mir Sekt eingeschenkt, es wurde immer lustiger … das habe ich auch online so erzählt. Hinterher musste ich noch zu einer Sitzung und wunderte mich beim Gehen, warum meine Tasche so schwer war: Irgendwie hatte sich ein Bund Bananen darin verfangen… Nach dieser Story haben die Leute viel mehr auf mich reagiert. Damit fing es an.

Persönliches im Netz zu veröffentlichen, kann auch „Trolle“ und „Hatespeech“ provozieren – wie gehen sie mit negativen Posts um?
Einen „Troll“ hatte ich noch nie. „Hatespeech“ bekomme ich auch – aber, weil ich einen Standpunkt habe zu Homosexualität oder Sex vor der Ehe. Von anderen Christinnen und Christen, anfangs war ich davon ziemlich aus der Bahn geworfen, auch wegen der sehr perfiden Sprache, da heißt es: „Wir beten für dich, denn du kommst in die Hölle. Und deine Gemeinde führst du auch in die Hölle!“

Wie ist ihr Standpunkt zu Sex vor der Ehe und Homosexualität?
Ich erkläre den vielen jungen Leuten, die mir folgen: Sex vor der Ehe ist keine Sünde. Aber es ist auch meine Verantwortung, die jungen Menschen zu schützen, deswegen sage ich auch: „Denkt daran, ihr seid Gottes Geschöpfe, und ihr seid wertvoll. Achtet gut auf euch und darauf, was ihr geben könnt und wollt. Und dann: genießt…“ (lacht) Und Homosexualität ist genauso wenig eine Sünde. Beim Thema Homosexualität kriege ich oft Bibelzitate, die das Gegenteil aussagen sollen, die aber völlig aus dem Kontext gerissen sind.

Sie scheuen online auch keine Kritik an Bibel und Kirche. Was stört sie?
An der Bibel stört mich gar nichts, sie ist eines meiner Lieblingsbücher, aus dem ich immer wieder Stärke ziehe. Mich stört nur, wie manche mit der Bibel umgehen. Wenn aus ihr menschen- oder auch demokratiefeindliche Narrative genommen werden und damit homosexuelle Christen aus ihrer Gemeinde vertrieben werden. Oder Wenn die Bibel dazu benutzt wird, um gegen Muslime zu sein.

Kirche scheint die sozialen Medien langsam zu entdecken – auf welchem Weg sehen Sie da die Nordkirche?
Wir sind auf einem guten Weg, aber Kirche braucht oft auch sehr lange. Vielleicht auch, weil ich Berufsanfängerin bin, scharre ich noch sehr mit den Hufen und wünsche mir schnellere Prozesse. Aber gerade die Nordkirche geht auch mit schnellen Schritten voran. Manchmal würde ich mir aber mutigere Statements wünschen.

Müssen sie sich an vorher angesprochene Regeln oder Richtlinien halten?
Ich habe ein Amt inne – und das möchte ich auch nicht beschädigen. Deswegen gibt es schon einen Verhaltenskodex. Ich kann aber schon vieles äußern – andere Landeskirchen würden das vielleicht nicht so handhaben.

Was sollte Kirche den Menschen heute geben?
Klar Stellung beziehen. Wir versuchen häufig, es vielen Menschen recht zu machen, und werden dabei manchmal so schwammig. Ich fand es sehr mutig, dass wir als Kirche jetzt ein Schiff ins Mittelmeer schicken, um Menschen zu retten. Das ist eine starke Botschaft.

Reichen dazu rein virtuelle Angebote? Oder braucht es auch weiterhin „Kirche zum Anfassen“?
Beide Angebote werden benötigt. Ich sehe schon das Digitale als Verkündigungsort, den man nicht unterschätzen darf. Einen Post, den ich sende, lesen Tausende Menschen. Wie viele Gottesdienste müsste ich dafür machen? Und gleichzeitig braucht es unbedingt Gemeinde vor Ort, in der analogen Welt. Denn das macht unseren Glauben und unsere Kirche aus: Gemeinschaft. Wenn ich Gottesdienst feiere, dann mit Menschen. Wenn ich das in die digitale Welt übertrage, ist es nicht dasselbe. Ich verbinde beide Welten miteinander.