Hamburger Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ feiert 30-Jähriges

Mit einem umfangreichen Programm feiert das Hamburger Straßenmagazin „Hinz&Kunzt“ sein 30-jähriges Bestehen. Unter dem Motto: „Hinschauen, wo andere wegschauen!“ entsteht unter anderem ein Bild auf einer Hauswand, wie „Hinz&Kunzt“ dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte. Ein Höhepunkt sei die Jubiläumsgala „Glitzer&Beton“ (10. November) im Uebel&Gefährlich mit Schrottgrenze, Fritzi Ernst, den Zuckerschweinen und der Moderatorin Didine van der Platenvlotburg. Über acht Tage gebe es ein KunztCafé im Neuen Amt Altona, zudem seien unter anderem ein Abend im Thalia-Theater und ein politischer Laternenumzug geplant.

Die erste Ausgabe von „Hinz&Kunzt“ erschien im November 1993. Die Idee dazu hatte Hamburgs damaliger Diakonie-Chef Stephan Reimers: Obdachlose selbst sollten ein journalistisch anspruchsvolles Magazin verkaufen. Einen Teil der Einnahmen behalten sie. „Der Verkauf des Monatsmagazins soll dazu beitragen, Berührungsängste und Vorurteile zwischen Arm und Reich abzubauen“, erklärt „Hinz&Kunzt“-Sprecherin Sybille Arendt.

Rund 500 Obdachlose, Wohnungslose, Ex-Obdachlose und Menschen in prekären Lebenslagen verkaufen das Heft auf den Straßen der Hansestadt. Mit einer Auflage von 50.000 Exemplaren sei „Hinz&Kunzt“ unter bundesweit rund 30 Straßenmagazin das auflagenstärkste Heft, Schwerpunkte seien Sozialpolitik, Hamburg-Themen und Kultur. Für die Verkäuferinnen und Verkäufer gelten klare Regeln: Jeder hat einen Ausweis dabei, Alkohol und Betteln mit der Zeitung sind tabu. Vom Preis von 2,20 Euro behalten sie die Hälfte.

„Seit Mai 2022 haben unsere Verkäuferinnen und Verkäufer neue Ausweise, weil es immer wieder Probleme mit aufdringlichen Bettlern und gefälschten Ausweisen gab“, sagt Arendt. Eine aktuelle Herausforderung für „Hinz&Kunzt“ sei der Umsatzrückgang durch den Trend zu digitalen Medien und Zahlungsmitteln. „Besonders junge Menschen wollen keine Papierzeitung mehr, unsere Redaktion arbeitet gerade an neuen Ideen“, berichtet Arendt.

Engagement sei heute wichtiger denn je: „In den vergangenen 30 Jahren ist die Situation für obdachlose Menschen immer schlimmer geworden“, beobachtet Arendt. Die Zahl der Wohnungslosen sei gestiegen, die psychische und physische Verelendung habe zugenommen, seit Monaten würden Polizei und Ordnungsdienste Obdachlose am Hauptbahnhof und in der City vertreiben. Arendt: „Man will das Elend einfach nicht mehr sehen, die Probleme werden verdrängt“, erklärt die Sprecherin. Eine Lösung sei es nicht – im Gegenteil: Durch die Vertreibungsaktionen sei es für Sozialarbeitende schwieriger geworden, hilfsbedürftige Menschen zu erreichen.

Mehr noch als die Vertreibungspolitik verschärfe der angespannte Wohnungsmarkt die Situation für die Betroffenen. „In den 1990er-Jahren gab es noch eine Wohnungsbörse, über die wir Dutzenden unserer Verkäuferinnen und Verkäufer eine Bleibe vermitteln konnten“, sagt Arendt. Heute sei dies fast unmöglich, der Wohnungsmarkt sei leer gefegt. Trotzdem biete „Hinz&Kunzt“ einen Ort für Menschen, die sonst keinen Ort hätten. „Manche bezeichnen uns als ihre Familie, weil wir einfach für sie da sind und sie so akzeptieren, wie sie sind“, sagt Arendt.

So fanden ehemalige Obdachlose einen Job im „Hinz&Kunzt“-Haus, das Café, selbst gekochtes Essen am Erscheinungstag und regelmäßige Feste und Ausflüge fördern den Austausch, dazu werde praktische Alltagshilfe wie Handyladestationen, die Bereitstellung von Postadressen oder Geldverwaltung geboten. Das Sozialarbeit-Team berät und unterstützt im Umgang mit Behörden. Arendt: „Im Einzelfall greifen wir Hinz&Künztlern etwa für die Zahlung einer Kaution unter die Arme.“ Wie es ist, obdachlos zu sein, zeigt Verkäufer Chris beim Stadtrundgang „Nebenschauplätze“: Rund 400 Mal im Jahr führt er interessierte Gruppen an Orte, die in keinem Reiseführer stehen.