Bei einem Antrag für einen härteren Migrationskurs vor der Bundestagswahl nahm die CDU/CSU-Fraktion wissentlich AfD-Zustimmung in Kauf. Für die damalige Abgeordnete Monika Grütters eine unerträgliche Situation.
Auch ein halbes Jahr nach der Abstimmung über eine verschärfte Migrationspolitik empfindet die damalige CDU-Abgeordnete Monika Grütters die Situation damals als einen Tiefpunkt. “In der Fraktion sind Tränen geflossen, auch bei denen, die teils mit zusammengebissenen Zähnen für den Antrag gestimmt haben, um im Wahlkampfendspurt kein falsches Signal zu senden”, erinnerte sich Grütters im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Montag in Berlin.
In der letzten Januarwoche stimmte der Bundestag über einen Antrag und einen Gesetzentwurf ab, die eine Verschärfung der Migrationspolitik vorsahen. Die Union nahm dabei in Kauf, dass die AfD zustimmte. Kritik daran kam von SPD, Grünen und Linken. Auch einige Mitglieder der Unionsfraktion wandten sich gegen den Vorstoß. Die Kirchen kritisierten das Vorgehen ebenfalls. Der Bundestag stimmte weder dem Antrag noch dem Gesetzentwurf zu. Grütters selbst nahm an der Abstimmung bewusst nicht teil und erklärte im Anschluss in einem Schreiben, dass sie nicht mit der AfD abstimmen könne.
Am Ende sei es vielleicht gut gewesen, dass dadurch unterschiedliche Positionen in der CDU sichtbar wurden, so Grütters weiter. “Nicht nur CDU-Wähler waren froh, dass nicht jeder blind mitgemacht hat, sondern dass viele die Nähe zur AfD nicht ertragen und Konsequenzen für ihr eigenes politisches Handeln daraus ableiten”, sagte sie. Es gebe CDU-Politikerinnen und Politiker, die in der Migrationsfrage den sozial-ethischen Kompass nicht verlieren wollten.
Dass die Kirchen sich deutlich und sehr kritisch zu dem Migrationsantrag und der AfD-Zustimmung positioniert hatten, begrüßte Grütters. “Ich wäre enttäuscht gewesen, wenn aus den Kirchen keine Stellungnahme gekommen wäre; sie sind nach wie vor wesentliche gesellschaftliche Akteure”, so die ehemalige Kulturstaatsministerin. Es fehlten zunehmend ethisch-moralische Leitplanken in der Gesellschaft. Daher sei es wohlfeil, wenn kirchliche Sozial- und Bildungsangebote willkommen seien, Kritik an der Tagespolitik aber nicht. “Und nicht nur ich als bekennende Katholiken, auch viele gegenüber den Kirchen distanziertere Menschen haben Angst vor einer gottlosen Gesellschaft.”
Grütters war von 2005 bis 2025 Bundestagsabgeordnete und von 2013 bis 2021 Kulturstaatsministerin unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU).