Gewalt bei Anti-Wehrdienstprotesten in Jerusalem

Zu gewalttätigen Szenen kam es am Sonntagabend in den Straßen von Jerusalem: Strengreligiöse Juden protestierten gegen ihre Rekrutierung in die israelische Armee und griffen dabei Polizisten und Politiker an.

Proteste tausender strengreligiöser Juden gegen eine Wehrpflicht in der israelischen Armee mündeten am Sonntagabend in gewaltsame Zusammenstöße mit der Polizei. Demonstranten warfen nach Angaben der Polizei mit Steinen und Flaschen auf die Beamten, blockierten Straßen und setzen Mülleimer in Brand. Fünf Personen wurden festgenommen, mehrere Beamte verletzt. Die Polizei ging laut Medienberichten unter anderem mit Stinkwasser gegen die Menge vor.

Ein ranghoher Jerusalemer Polizeibeamter sprach von hunderten gewalttätigen Unruhestiftern, die sich einer Auflösung der Versammlung widersetzten. Als besorgniserregend bezeichnete er, dass “ein erheblicher Teil dieser Gesetzesbrecher Kinder waren”, ein wiederholt beobachtetes gefährliches Phänomen, das zu stoppen sei.

Wie israelische Medien berichteten, wurde auch das Auto des Vorsitzenden der Partei “Vereintes Torah-Judentum”, Wohnungsbauminister Jitzchak Goldknopf, mit Steinen beworfen und musste von der Polizei eskortiert werden.

Die Mehrheit der Demonstranten gehörten demnach radikalen ultraorthodoxen Gruppierungen an, darunter die antizionistische Gruppe “Edah ha-Haredit” und die “Jerusalem-Fraktion”. Aber auch Vertreter der Hauptströmung der ultraorthodoxen Gemeinschaft hatten zur Teilnahme an den Protesten aufgerufen. Bei ihrem Zug durch die Stadt zum Rekrutierungsbüro der israelischen Armee trugen sie Schilder mit Aufschriften wie “Wir werden nicht in die Armee des Feindes eintreten” und “Lieber eine Kugel in den Kopf als in die Armee”.

Bei einer weiteren Kundgebung in dem strengreligiös-jüdischen Viertel Mea Schearim wurden Schofare (Widderhörner) geblasen und Gebete des jüdischen Versöhnungstags Jom Kippur rezitiert.

Hintergrund der Proteste ist der jüngste Entscheid des obersten israelischen Gerichts, dass es für eine generelle Wehrdienstbefreiung für ultraorthodoxe Religionsstudenten keine Rechtsgrundlage gebe. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara hatte die israelische Armee daraufhin angewiesen, umgehend 3.000 Studenten der Thora-Lehrstätten für den Wehrdienst zu rekrutieren. Medienberichten zufolge gelten rund 67.000 Ultraorthodoxe (Haredim) als wehrdienstfähig.

Haredim sind seit der Staatsgründung Israels für das Studium der religiösen Schriften von der allgemeinen Wehrpflicht de facto befreit, was von der nicht-ultraorthodoxen Bevölkerung zunehmend infrage gestellt wird. Der seit fast neun Monaten andauernde Krieg im Gazastreifen und der Einzug tausender Reservisten hat den Unmut über die Ausnahmeregelung weiter verschärft, die bereits vor Jahren vom Obersten Gericht des Landes als verfassungswidrig erklärt wurde. Am Streit um die Wehrpflicht von Haredim war Ende 2018 die damalige Regierungskoalition zerbrochen.