Getöteter Schüler aus Wunstorf: Prozess hat begonnen

Es war eine Tragödie, die die Evangelische Integrierte Gesamtschule in Wunstorf erschütterte: Ein Schüler (14) soll einen Gleichaltrigen getötet haben. Jetzt hat der Prozess in Hannover begonnen.

In diesem Van wird der angeklagte 14-Jährige zum Landgericht Hannover gebracht
In diesem Van wird der angeklagte 14-Jährige zum Landgericht Hannover gebrachtImago / Localpic

Vor dem Landgericht Hannover hat am Montag der Prozess gegen einen 14-jährigen Jugendlichen aus Wunstorf bei Hannover begonnen, der einen gleichaltrigen Mitschüler getötet haben soll. Er ist vor einer Jugendkammer des Gerichts wegen Mordes aus Heimtücke und versuchter Erpressung in zwölf Fällen angeklagt. Beide besuchten die Evangelische Integrierte Gesamtschule in Wunstorf, gehörten aber unterschiedlichen Schulklassen an. Weil der mutmaßliche Täter noch minderjährig ist, findet das Verfahren unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, wie Gerichtssprecherin Christine Rosner dem Evangelischen Pressedienst (epd) mitteilte.

Der Angeklagte sitzt in Untersuchungshaft in der Jugendanstalt Hameln. Er hat die Tat eingeräumt, das Motiv ist allerdings unklar. Sein Anwalt kündigte an, er wolle sich im Laufe des Verfahrens im Namen seines Mandanten zu den Vorwürfen äußern. Bisher hatte dieser dazu geschwiegen. Angesetzt sind sieben Verhandlungstage bis zum 28. August.

14-Jähriger soll Erpresserbriefe verschickt haben

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Jugendlichen vor, den Mitschüler gefesselt und mit Steinen erschlagen zu haben. Zudem habe er vor der Tat Erpresserbriefe in die Briefkästen von Nachbarn geworfen und die Empfänger dazu aufgefordert, Geld zu deponieren. Dabei habe er gedroht, die Häuser der Empfänger zu sprengen oder ihnen und ihren Kindern etwas anzutun, wenn sie der Forderung nicht nachkämen. Nach dem Jugendstrafrecht droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Nach der Tat erinnerte die Schule im Andachtsraum an ihren Schüler
Nach der Tat erinnerte die Schule im Andachtsraum an ihren Schülerepd-bild / Lothar Veit

Der Leichnam des getöteten Mitschülers war Ende Januar nach einer großangelegten Suche auf dem Brachgelände einer alten Gärtnerei am Rande eines Dorfes bei Wunstorf gefunden worden. Der Junge war am Abend zuvor nicht von einer Verabredung mit dem Schulkameraden zurückgekehrt und als vermisst gemeldet worden.

Schulleiterin Elke Helma Rothämel sagte Ende Mai in einem epd-Gespräch, die Tat sei für die gesamte Schulgemeinschaft „an Unfassbarkeit nicht zu übertreffen“. Die Jungen hätten sich schon seit Kindergarten-Zeiten gekannt. Es habe keinerlei Hinweise auf Mobbing gegeben: „Bis jetzt ist die Frage nach dem Warum für mich und uns als Schulgemeinschaft offen, können wir uns überhaupt nicht vorstellen, weshalb der mutmaßliche Täter so einen Entschluss gefasst hat.“

Wunstorf: Schulleiterin hat keine Hinweise auf Motiv

Rothämel schilderte den mutmaßlichen Täter als klugen, aber in sich zurückgezogenen Jungen. „In der letzten Zeit ist er zunehmend unordentlich geworden. Aber es gab für uns keine Hinweise, die auch nur annähernd auf das hingedeutet hätten, was er dann mutmaßlich getan hat.“ Den getöteten Jugendlichen beschrieb sie als jemanden, der „freudig und offen“ auf andere Menschen zuging. An seinem Lieblingsort in der Bibliothek habe die Schule einen Gedenkort mit einem Tisch und seinem Bild eingerichtet.

Das Opfer und der mutmaßliche Täter gingen auf die die Evangelische Integrierte Gesamtschule in Wunstorf bei Hannover
Das Opfer und der mutmaßliche Täter gingen auf die die Evangelische Integrierte Gesamtschule in Wunstorf bei Hannoverepd-bild / Nancy Heusel

Seine Eltern wollten „verstehen, ohne dass sie es verstehen können“, sagte Rothämel. Sie machten „sichtbar deutlich“, dass sie die Eltern des anderen Jungen nicht verurteilten. „Das ist ein ganz großartiges Zeichen. Denn in unserer Stadt gab es unschöne Kampagnen und unfreundliche Briefe, auch an mich.“ Über die Eltern des mutmaßlichen Täters sagte sie: „Auch sie haben ihren Sohn verloren, wie sie ihn vorher kannten.“

Bei einer Trauerfeier hatten im Februar Hunderte von Trauergästen von dem getöteten Jugendlichen Abschied genommen. Der katholische Pfarrer Andreas Körner sagte in der Ansprache über den Verstorbenen, der zu den Pfadfindern und den Messdienern gehörte: „Er erkannte in keinem Menschen etwas Böses. Seine Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit werden uns in Erinnerung bleiben.“