Gespräche suchen, Respekt erarbeiten

Corona spaltet die Bevölkerung in zwei Gruppen: Impfbefürworter und Impfgegner. Der Kirchenkreis Hildesheim-Sarstedt wollte für Annäherungen sorgen. Unter dem Motto „Wir müssen reden“ rief er beide Seiten zu Gesprächen auf.

Die Fronten zwischen Impfgegnern und -befürwortern sollen sich nicht weiter verhärten.
Die Fronten zwischen Impfgegnern und -befürwortern sollen sich nicht weiter verhärten.epd-bild/Christian Ditsch

Hildesheim. Sonja Klima und Dagmar Mai mögen sich. „Die Chemie zwischen uns hat gestimmt“, sagt Sonja Klima. War das zu erwarten, als sich die beiden Frauen zu „Wir müssen reden“ anmeldeten? Seit Monaten stehen sich doch Impfgegner und -befürworter unversöhnlich gegenüber – und damit eigentlich auch diese beiden Frauen. Sonja Klima ist ungeimpft, sie lehnt Impfungen ab. Ihre Gesprächspartnerin Dagmar Mai, die sie vorher nicht kannte, ist dagegen von Impfungen überzeugt.

Müssten sich die beiden Frauen nicht streiten?

Wie tief die Gräben zwischen den Gruppen sind, macht Sonja Klima mit einem Erlebnis deutlich: „Eine Kollegin hat auf WhatsApp geschrieben, dass man alle Ungeimpften wegsperren und verhungern lassen soll. Das hat mich so sehr getroffen, dass ich zusammengebrochen bin“, erzählt Klima.

Es ist dieser Hass zwischen den Gruppen, der Dagmar Mai stört. Und so meldete sie sich zu „Wir müssen reden“ an. Der Kirchenkreis vermittelte der Hildesheimerin, die ursprünglich kein Verständnis für Impfgegner hatte, das Gespräch mit Sonja Klima. „Wir sind mehr als eine Stunde um den Hohensensee gelaufen und hatten gleich ein sehr vertrautes Gesprächsklima“, erzählt Mai. „Wir haben einander zugehört, ohne uns ins Wort zu fallen.“ Auch Sonja Klima hat sich wohl gefühlt. „Wir sind sehr respektvoll miteinander umgegangen, obwohl wir zwei völlig unterschiedliche Meinungen haben.“ Das ist ganz im Sinne der Kirchenkreis-Aktion: Sie will den Austausch zwischen Impfgegnern und -befürwortern ermöglichen.

Wir müssen miteinander auskommen

Wie unversöhnlich sich die Gruppen noch zum Jahreswechsel gegenüberstanden, wissen nicht nur die Hildesheimer. „Auf der einen Seite der Andreaskirche haben sich die ‚Spaziergänger‘ versammelt. Und auf der anderen Seite gab es eine Gegendemo ‚Impfen statt schimpfen‘“, erinnert sich Mirko Peisert, Superintendent des Kirchenkreises Hildesheim-Sarstedt. „Wir müssen miteinander ins Gespräch kommen“, war Peisert seitdem überzeugt. „Diese Verhärtungen schaden unserer Gesellschaft. Wir müssen miteinander auskommen“, betont der Geistliche.

Der Kirchenkreis hat deswegen schon im Januar zur Aktion „Wir müssen reden“ aufgerufen und Impfgegner und -befürworter zum Mitmachen eingeladen. Mehr als 50 Pärchen, die sich sonst wohl nie begegnet wären, seien in den vergangenen Wochen miteinander in Kontakt getreten. Die Gespräche hätten zwar die Sichtweisen nicht verändert, bilanziert Peisert. Aber man habe die jeweils andere Position besser verstanden.

Superintendent Mirko Peisert
Superintendent Mirko PeisertKK Hildesheim-Sarstedt

Manche Paare seien jedoch nicht miteinander übereingekommen. Jetzt hofft Peisert, dass sich das Gegeneinander der Menschen und Positionen angesichts der anstehenden Corona-Lockerungen wenigstens etwas entspannen könnte. „Aber viele tragen Verletzungen in sich. Deswegen halte ich das Gespräch weiterhin für notwendig.“

Sonja Klimt und Dagmar Mai haben zwar weiter unterschiedliche Einstellungen zur Impfung. Der respektvolle Umgang habe jedoch gut getan, stellt Sonja Klimt fest. Und so verwundert es nicht, dass sich die beiden wieder treffen wollen – zum Spazierengehen. Die Aktion des Kirchenkreises zieht unterdessen Kreise. In Burgdorf bei Hannover startet jetzt eine ähnliche Aktion.