Gesetzesentwürfe zu Suizidbeihilfe „auf dem Holzweg“

Dem Bundestag liegen Gesetzesentwürfe vor, die einen Missbrauch der Suizidbeihilfe verhindern sollen. Dem Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz gehen diese zu weit und erzeugen „Nachfrage“.

Eugen Brysch ist seit 2012 Vorstand der Interessenvertretung Deutsche Stiftung Patientenschutz
Eugen Brysch ist seit 2012 Vorstand der Interessenvertretung Deutsche Stiftung Patientenschutzepd-bild / Deutsche Stiftung Patientenschutz

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert die drei Gesetzentwürfe des Bundestags zur Suizidbeihilfe als viel zu weitreichend. Selbsttötung und Beihilfe zur Selbsttötung seien in der Bundesrepublik nie verboten gewesen, sagte Vorstand Eugen Brysch am Donnerstag in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Wenn die Abgeordneten jetzt versuchten, die Suizidbeihilfe über gesetzliche Schutzkonzepte zu regeln und zu kanalisieren, seien sie „auf dem Holzweg“. Beratungspflichten und zeitliche Fristen gingen an der Realität vorbei.

Brysch betonte: „Eine autonome Entscheidung zum Suizid kann nicht mithilfe allgemeingültiger medizinischer oder juristischer Kriterien ermittelt werden.“ Jede Art staatlich organisierter Beratungsleistung würde der Suizidassistenz ein Gütesiegel verleihen und weitere Nachfrage erzeugen. Die organisierte und wiederholte Hilfe zur Selbsttötung dürfe keine Aufwertung durch fragwürdige Schutzkonzepte erhalten.

Suizidhelfer in den Blick nehmen

Ziel eines Gesetzes müsse es sein, die Selbstbestimmung der Sterbewilligen und den Schutz vor Fremdbestimmung zu stärken. Aus Sicht des Patientenschützers ist es deshalb zentral, die Selbsttötungshelfer in den Blick zu nehmen. „Wenn Geld im Spiel ist, etwa in Form einer Gebühr oder Mitgliedschaft, gehört die Suizidbeihilfe verboten“, forderte Brysch. „Denn dann steht die Selbstbestimmung des Suizidwilligen auf dem Spiel.“

Schon jetzt gebe es zahlreiche Möglichkeiten und Mittel zur Selbsttötung, sagte der Patientenschützer. Zudem gebe es organisierte Angebote zur Genüge, nicht nur von Ärzten. Behörden und Gerichte müssten sich darauf einstellen, die Motive und Sachkenntnis von Suizidhelfern zu bewerten. „Das ist übrigens geübte Praxis bei jedem unnatürlichen Tod.“

Volkskrankheit Depression

Ebenso müssten Maßnahmen gegen die größte Volkskrankheit ergriffen werden: „Das ist die wachsende Einsamkeit.“ Obwohl allein in Pflegeeinrichtungen 30 Prozent der Bewohner an Depressionen litten, erhalte die Hälfte von ihnen keine therapeutische Unterstützung. „Auch zwei Millionen betagte Menschen daheim leiden still vor sich hin. So ist es nicht verwunderlich, dass die Suizidrate im Vergleich zu anderen Altersgruppen deutlich erhöht ist.“ Therapieplätze und aufsuchende Angebote seien Mangelware. Die Kassenärztlichen Vereinigungen kämen ihrem Versorgungsauftrag bei der Zulassung von Neurologen, Psychiatern und Psychotherapeuten in der Fläche nicht nach.

Das Bundesverfassungsgericht hatte Anfang 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Zugleich formulierten die Karlsruher Richter ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben – und zwar unabhängig von Alter oder Krankheit. Dazu könne auch die Hilfe Dritter in Anspruch genommen werden. Derzeit liegen im Bundestag drei unterschiedliche Gesetzentwürfe vor, die einen Missbrauch von Suizidbeihilfe verhindern und garantieren sollen, dass Suizidwillige eine selbstbestimmte und freie Entscheidung treffen.