Gerühmter Literat, passabler Berggeher

Christoph Ransmayr kommt aus Wels in Oberösterreich, und das dortige Alpenvorland hat ihn geprägt: die bergige Landschaft, die Nähe zur Natur. Mit seinem langjährigen Freund Reinhold Messner unternahm er ausgedehnte Wanderungen, durch die Alpen, den Himalaya oder durch Brasilien. Messner nannte Ransmayr einmal einen ganz passablen Berggeher, der Neugier und Lust an der Welt mit einer guten Portion Abenteurertum verbinde.

Am 20. März wird der große österreichische Schriftsteller 70 Jahre alt, er schrieb Romane, Reisereportagen, Theaterstücke und Gedichte. Ransmayr gilt als einer der großen Stilisten deutscher Sprache, als einer, der immer wieder experimentelle Formen des Erzählens erprobt.

Die großen Abenteuer suchte er in jungen Jahren eher zwischen den Buchseiten: „Ich war zunächst ein süchtiges Lesekind, das oft schwer an Heimweh litt. Schon wenn ich die Dorfgrenze überschreiten musste, fühlte ich mich ausgesetzt“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“ 2014. Aber allmählich ging der Weg in die weite Welt: Studium der Philosophie und Ethnologie an der Universität Wien, Kulturredakteur bei der Wiener Monatsschrift „Extrablatt“. Und Ransmayr reiste, schrieb Reportagen für große Reisezeitschriften wie Geo, Merian und TransAtlantik.

1982 kam der erste Roman heraus: „Strahlender Untergang“ über ein Entwässerungsprojekt in der Sahara. Es war kein umfangreiches Buch, etwa 60 Seiten, wurde aber von der Kritik beachtet. In seinem Stil verbänden sich „expressionistische Motive mit einem fast antikisierenden Vokabular“ schrieb Frank Schirrmacher in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“.

Dieses erste Buch enthielt vieles, für das Ransmayr auch später gerühmt werden sollte: die außergewöhnliche stilistische Originalität, gepaart mit einer Vorliebe für archaische, zeitlose Landschaften. In „Strahlender Untergang“ war es die „Unwirtlichkeit dieser Geröll- und Sandlandschaft“ der großen Wüste, in „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ (1984) die Eiswüste des Nordpolarmeeres, in „Die letzte Welt“ (1988) die antiken Landschaften des römischen Dichters Ovid. Beide Romane wurden große Erfolge bei der literarischen Kritik, etwa von Hans Magnus Enzensberger in „Der Spiegel“ begeistert gelobt.

Ransmayr jedoch war der beginnende literarische Ruhm suspekt. Nachdem immer mehr Lobreden, Preise und Besucher auf ihn eingeprasselt seien, habe er in seiner Not die Wohnung verdunkelt und mit seinem ebenso verängstigten Vater am Telefon in endlosen Gesprächen nach den „Haken an der Sache“ geforscht, wie Harald Wieser 1988 im „Spiegel“ schrieb.

Er bereiste Lateinamerika und Asien, wanderte mit Messner durch Osttibet und die Arktis und konnte nach der Rückkehr von seinen Abenteuern berichten: „Die Eisbären sind im arktischen Sommer wegen der vielen Robben auf dem Packeis zwar einigermaßen satt, aber es war mehr als beruhigend zu wissen, dass Reinhold ein Gewehr trug und notfalls auch damit umgehen konnte.“

Das Lob der Literaturkritik erwies sich als zuverlässig wiederkehrend, für „Morbus Kithahara“ (1995), wo ein nach einem Krieg besiegtes, industrialisiertes Land in einen Agrarstaat zurückverwandelt wird, für „Der fliegende Berg“ (2006), in dem zwei Computerspezialisten in die Bergwelt Osttibets aufbrechen. In „Cox oder der Lauf der Zeit“ (2016) verfolgt Ransmayr das Leben eines britischen Uhrmachers im 18. Jahrhundert am Hof des Kaisers von China.

Zwischenzeitlich war der „Halbnomade“ (Ransmayr über Ransmayr) für zwölf Jahre nach West Cork/Irland ausgewandert, 2006, nach der Heirat mit seiner Frau Judith, aber wieder nach Wien zurückgekehrt. Er wurde mit fast 40 Literaturpreisen bedacht, darunter dem Kleist-, Börne-, und Kafka-Preis. Dennoch hält er Distanz zum Literaturbetrieb, geht zwar gelegentlich auf Lesetour und gibt Interviews, allerdings sehr dosiert. Und er verzichtet darauf, politische Ereignisse zu kommentieren.

Er experimentierte mit den literarischen Formen, verfasste etwa zusammen mit dem Journalisten und Schriftsteller Martin Pollack in „Der Wolfsjäger“ (2011) drei polnische Duette, ließ in „Der fliegende Berg“ ein Buch im Flattersatz drucken, der das Poetische der Sprache und den großen epischen Atem unterstreichen soll. In „Atlas eines ängstlichen Mannes“ (2012) präsentierte er sich als Weltenwanderer: In Form eines Weltatlas berichtet ein großer Reisender von seinen Erfahrungen zwischen Osterinsel, Nepal und Neuseeland.

Wie kaum ein anderer hat Christoph Ransmayr den Nimbus eines weltläufigen Außenseiters kultiviert: ein Oberösterreicher, der immer von irgendwoher wiederkommt und die tollsten Geschichten mitbringt.