Gerlach: “Es muss sich dringend etwas ändern”

Die Organspende-Praxis in Deutschland muss sich laut der bayerischen Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) dringend ändern. Denn: Von Januar bis Juni habe es 70 Organspender in Bayern gegeben – das seien zwar sieben Spender mehr als im Vorjahreszeitraum, sagte Gerlach am Mittwoch in der Münchner Residenz bei einer Fachtagung. Demgegenüber stünden aber rund 1.200 Menschen im Freistaat, die aktuell auf ein lebenswichtiges Organ warten. „Ich setze mich daher klar für die Einführung der Widerspruchslösung ein“, sagte Gerlach.

Sie hoffe, dass die Widerspruchslösung auch im Bundestag eine notwendige Mehrheit findet. Denn sie biete die Chance, „dass mehr Menschen ein lebensrettendes Spenderorgan bekommen. Organspende wäre dann der Normalfall“. Sie räumte ein, dass das Thema Organspende sensibel sei und Ängste auslösen könne. Niemand solle sich daher unter Druck gesetzt fühlen. „Aber auch die Widerspruchslösung ermöglicht es, dass jeder Mensch selbst über seine Position entscheidet.“ Die Widerspruchslösung gilt bereits in vielen Ländern Europas, unter anderem in Frankreich, Italien, den Niederlanden, Österreich, Spanien und Portugal.

Die Idee der Widerspruchslösung hatte Ende Juni wieder an Fahrt aufgenommen. Eine parteiübergreifende Gruppe von Bundestagsabgeordneten hatte einen neuen Versuch zur Durchsetzung der Widerspruchsregelung bei der Organspende vorgestellt, wonach jeder volljährige und einwilligungsfähige Mensch zum Organspender werden sollte, der dem zu Lebzeiten nicht widersprochen hat. Aktuell ist es andersherum: Ein möglicher Organspender ist, wer selbst zu Lebzeiten oder dessen Angehörige nach dem Tod zustimmen. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und sein Amtsvorgänger Jens Spahn (CDU) haben sich dem Antrag angeschlossen.

Gerlach überreichte am Mittwoch in der Münchner Residenz den Bayerischen Organspendepreis an die Kliniken in Aschaffenburg-Alzenau, Eichstätt und Kempten. „Damit Organspende gelingen kann, braucht es die Spender, aber eben auch ein Krankenhaus, das der Organspende offen gegenübersteht.“ Das sei für die Menschen auf der Warteliste lebensnotwendig. Sie wünsche sich daher, „dass viele Krankenhäuser diesen großartigen Beispielen folgen“, sagte sie.

Die Transplantationsbeauftragten in Aschaffenburg hätten ein standardisiertes Prozedere eingeführt, um den qualitätsgesicherten Ablauf einer Organspende zu gewährleisten. Außerdem gebe es regelmäßige Fortbildungen für ärztliches und pflegerisches Personal. Dadurch hätten sich die internen Strukturen deutlich verbessert, sagte Gerlach. In Kempten würden alle Patienten, die an einer schweren Hirnschädigung in der Klinik verstorben sind, mithilfe des TransplantCheck einem Team aller Fachbereiche vorgestellt. In Eichstätt wiederum gebe es auch zwei pflegerische Transplantationsbeauftragte, was für Betroffene große Vorteile habe. Denn Pflegekräfte arbeiteten besonders nah mit Patienten und Angehörigen zusammen.

Der Bayerische Ehrenpreis zur Förderung der Organspende ging an das Organisationsteam des DGCH Organspendelaufs. Der jährliche Organspendelauf der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie wird seit 2019 von Matthias Anthuber, Direktor der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Transplantationschirurgie am Universitätsklinikum Augsburg, und seinem Team vom Universitätsklinikum Augsburg organisiert. Der Organspendelauf sei eine großartige Initiative, die Aufmerksamkeit errege und ein positives Bild der Organspende in der Öffentlichkeit schaffe, sagte Gerlach.

Die Preisverleihung fand im Rahmen einer Tagung mit der Geschäftsführenden Ärztin für Bayern der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Jutta Weiss, statt. Die Tagung hatte das Schwerpunktthema „Ältere Organspender“. (00/2099/10.07.2024)