Geheimnis der Versöhnung

Vor mehr als 40 Jahren wurde die Idee zur Friedensdekade in den Niederlanden geboren. 1979 wurde diese Anregung dem ökumenischen Jugendrat in Europa nahegelegt. West- sowie Ostdeutschland haben seit 1980 diese Idee aufgenommen.

Besucher in der Ausstellung
Besucher in der AusstellungCarsten Süberkrüb

Kirchenmitglieder sollten in ihrem Engagement für Friedensfragen gestärkt werden. Heute, viele Jahre nach diesem hoffnungsvollen Beginn, ist die immer instabilere Weltsituation und gerade der Ukraine­krieg ein Prüfstein für unsere Fähigkeit, Antworten zu finden, die dem christlichen Friedenszeugnis Ausdruck geben.

Frieden, wie geht das? Und ganz besonders, für mich als Pfarrer in der Seelsorge in der Bundeswehr an der Marine-Technik-Schule Parow, in der Nähe von Stralsund, werden Antworten erwartet. Zwei Antworten möchte ich nennen.

Zum einen bin ich gerade von einem zweimonatigen Einsatz aus dem Libanon zurückgekehrt. Dort versuchen die Vereinten Nationen mithilfe von UNIFIL, einem Peacekeeping-Einsatz seit 1978, den israelischen Abzug aus dem Libanon zu begleiten und die libanesische Regierung bei der Wiederherstellung der staatlichen Souveränität zu unterstützen. Die Deutschen leisten ihren Beitrag in Form der Leitung und Koordination der Sicherung der Seeseite des Libanon.

Hass auf den Anderen

Wir stehen, wie viele Nationen, zwischen den Feinden. Im Gespräch mit dem Staat Israel, gleichzeitig aber von den libanesischen Menschen anerkannt. Wir wollen Frieden zwischen zwei verfeindeten Staaten, die seit 1949 verbunden sind durch den Hass auf den Anderen. Und jetzt hat man ein Gasfeld genau auf der Grenze zwischen den Staaten entdeckt. Ich durfte das historische Ereignis miterleben, dass ein Vertrag ausgehandelt und geschlossen wurde, der die Seegrenze regelt. Jeder kann nun das Gas fördern, ohne befürchten zu müssen, dass die Souveränität des Staates durch den verfeindeten Nachbarn gestört wird. Seit 1949 zum ersten Mal eine Regelung, die von beiden Seiten zum Wohl beider anerkannt wurde.

Vom Anfang betrachtet

Jedes Jahr haben wir eine Ausstellung der Friedensbibliothek – Antikriegsmuseum der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg- Schlesische Oberlausitz in unseren Räumen, damit sich Soldaten und Soldatinnen mit dem wichtigsten Thema für sie, „Krieg und Frieden“, auseinandersetzen können. Als wir letztes Jahr planten, welches Thema wohl im nächsten Jahr aktuell sein könnte, haben wir die Ausstellung „Das Geheimnis der Versöhnung ist Erinnerung“, eine Auseinandersetzung mit dem Krieg gegen die Sowjetunion 1941 bis 1945 und darüber hinaus, gewünscht.

Wie aktuell das Thema jetzt ist, konnten wir uns damals nicht im Traum vorstellen. Nun steht Russland im Krieg gegen die Ukraine, und wir merken, dass der Krieg immer näher an uns herankommt. Und um aus der Lähmung herauszukommen, hilft die Ausstellung, die vom Ende her den Krieg Nazideutschlands gegen die Sowjetunion betrachtet. Denn „wenn man den Krieg vom Anfang her anschaut, scheint militärischer Widerstand plausibel. Wenn man ihn vom Ende her anschaut, ist die militärische Lösung eine Katastrophe.“ So formuliert durch die Friedensorganisation Church and Peace auf ihrer Konferenz in Crikvenica, Kroatien.

Doch was heißt es, den Krieg vom Ende her anzuschauen? Zum einen zu erkennen, dass schon damals im Krieg kein Recht mehr galt. Der Mensch zählte damals nichts, Kanonenfutter, zur Vernichtung preisgegeben. Und wieder können wir genau dies alles erleben, diesmal gerade von der Seite, die selber das Sprichwort in ihrer Tradition hat: Vergisst man den Krieg, dann entsteht ein neuer Krieg.

Krieg vom Ende her denken und darauf aufmerksam machen. Eine kleine Antwort, nicht nur für Soldatinnen und Soldaten wichtig. Und so gilt es, dass unsere ganze christliche Kreativität, Intelligenz, Liebe und Demut jetzt gefordert ist, damit die Welt bestehen bleibt und dieser Krieg in der Ukraine endlich ein Ende findet.