Gedenken an Sternenkinder in Mecklenburg-Vorpommern

Wenn eine Frau ihr ungeborenes Kind verliert, ist das fast immer traumatisch, sagt die Krankenhausseelsorgerin Brita Bartels in Greifswald. Am 10. Dezember wird auch an solche Sternenkinder erinnert.

Mit Steinen wie diesen erinnern Eltern auf dem Neuen Friedhof in Greifswald an ihre stillgeborenen Kinder..
Mit Steinen wie diesen erinnern Eltern auf dem Neuen Friedhof in Greifswald an ihre stillgeborenen Kinder..Sybille Marx

In der 24. Schwangerschaftswoche war das Kind gestorben, im Mutterleib, wo es doch so wundersam geschützt sein sollte. Die Greifswalder Seelsorgerin Brita Bartels kann sich noch gut an den Fall erinnern: Auf natürliche Weise wollte die Frau ihr Baby zur Welt bringen; obwohl es nicht eine Sekunde lang leben, nicht einen Atemzug nehmen würde. Brita Bartels, heute Mitte 50, sollte bei der Entbindung dabei sein.

Seit fast 25 Jahren arbeitet die Theologin als Krankenhausseelsorgerin in Vorpommern, seit fünf Jahren am Eltern-Kind-Zentrum der Uniklinik Greifswald, ganz im Nordosten der Republik. Immer wieder begleitet sie Frauen, deren Schwangerschaft unglücklich endet. Am Gräberfeld für „stillgeborene Kinder“ auf dem Neuen Friedhof der Stadt hält sie im Herbst und Frühling Andachten für diese Frauen und ihre Männer – immer dann, wenn in einer Sammelurne alle Kinder beigesetzt werden, die in den vergangenen Monaten in der Klinik tot zur Welt kamen, mit einem Gewicht von unter 1000 Gramm. An diesem Sonntag, 10. Dezember, um 15 Uhr findet im Greifswalder Dom eine Gedenkfeier für Angehörige verstorbener Kinder und Sternenkinder statt – wie in vielen anderen Städten auch (siehe unten).

Kind wurde gesegnet: „Das war ein heiliger, fast schöner Moment“

Dass eine Frau, die ihr Kind in der 24. Woche verliert, es auf natürliche Weise zur Welt bringen will, mag für Außenstehende paradox klingen. „Früher hat man in solchen Fällen einen Kaiserschnitt gemacht, weil man dachte, man könnte der Frau Leid ersparen“, sagt Brita Bartels. Inzwischen gelte es als wichtig, dass die Mutter die Entbindung durchlebt, mit allem, was dazu gehört: Wehen, Angst, Schmerz und Erschöpfung. „Die Frauen erleben am Schluss sogar so etwas wie die Geburtsfreude“, sagt die Seelsorgerin. So liegt dann alles dicht an dicht: Schmerz, Freude, Trauer, Abschied.

Bei der Frau, die Brita Bartels begleitete, kamen wie bei vielen anderen unter den Wehen verzweifelte Fragen und quälende Schuldgefühle hoch, über die sie sprechen konnten. Und am Ende der Wunsch, das Kind möge gesegnet werden. „Ich habe ihm die Hand aufgelegt, ihm mit Salböl ein Kreuz auf die Stirn gezeichnet und einen Segen gesprochen“, erzählt Brita Bartels. „Das war ein heiliger, fast schöner Moment“. Die Eltern seien dabei schon sichtbar ins Annehmen gegangen. „So lag in aller Schwere auch etwas Schönes.“ Überhaupt empfindet die Pastorin es als Segen, dass sie Rituale, Zeichenhandlungen anbieten kann, da, wo eine existentielle Erfahrung Einbettung braucht. „Diese Art des Tuns bleibt, auch wenn sonst keiner mehr etwas tun kann“, sagt sie.

Brita Bartels: „Viele Frauen erleben das als schmerzhaften Verlust“

Ein ungeborenes Kind zu verlieren, ist ihrer Beobachtung nach fast immer eine traumatische Erfahrung für eine Frau, egal, in der wievielten Woche sie ist. Statistisch gesehen ist es zwar nicht ungewöhnlich, dass eine befruchtete Eizelle in den ersten zwölf Wochen abstirbt. Fast ein Drittel aller Schwangerschaften endet so, schätzen Experten.

„Aber viele Frauen erleben das als schmerzhaften Verlust“, sagt Brita Bartels – und hätten dann noch das Problem, dass ihr Umfeld den Schmerz gar nicht versteht. „Man hat ja von außen noch nichts gesehen. Aber die Eltern hatten angefangen, sich zu freuen und Pläne zu schmieden.“ Darum hilft sie den Betroffenen gern, die Existenz des Kindes unter ihrer Zeugenschaft auszusprechen und sichtbar zu machen. Nach den Wünschen der Eltern werden die Ungeborenen etwa bekleidet, in einem Körbchen aufgebahrt und fotografiert. Auch Fußabdrücke oder eine Haarlocke können wichtige Erinnerungsstücke sein und den Eltern helfen, eine Beziehung zu dem gestorbenen Kind aufzubauen und es zu betrauern.

Grabstelle für Sternenkinder: Manche zünden zu Weihnachten ein Licht an

Wenn Wochen oder Monate später dann die Beisetzung an der Sammel-Grabstelle ansteht, hält Brita Bartels in der Trauerhalle des Friedhofs eine Andacht für die Eltern und geht danach mit ihnen zur Grabstelle für Sternenkinder. Lilafarbene Metallschmetterlinge flattern auf dem Gedenkstein, als Symbol für Verwandlung und Leichtigkeit. „Geliebt, betrauert, nicht vergessen“, steht darauf. In eine große Laterne kann man Grablichter stellen.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von DEIN-STERNENKIND (@deinsternenkind)

„Manche Eltern kommen zu Ostern oder Weihnachten hier her und zünden ein Licht an – oder jedes Jahr zum Sterbedatum ihrer Kinder“, erzählt die Pastorin Brita Bartels. Auch Marienkäfer, Herzen, Windräder und bunte Figuren haben sie abgelegt. An den Andachten nehmen oft 20 bis 25 Eltern teil. Immer sind diese Andachten emotional, sagt Brita Bartels. „Da wird nochmal sehr viel geweint. Aber in diesem Rahmen sind das gute Tränen.“

Alljährlich am Abend des zweiten Sonntags im Dezember um 19 Uhr stellen Menschen rund um die Welt eine brennende Kerze ins Fenster. Sie gedenken so ihrer verstorbenen Kinder und Geschwister. „Jedes Licht im Fenster steht für das Wissen, dass diese Kinder das Leben erhellt haben und dass sie nie vergessen sein werden“, sagt Pastor Andreas Greve, Krankenhausseelsorger in Schwerin. Durch die Zeitverschiebung wandere die Lichtwelle um die Welt und sei ein Zeichen dafür, dass „das Licht der Kinder weiter leuchtet“.

Gedenkfeiern in Mecklenburg-Vorpommern

In Mecklenburg-Vorpommern finden an dem Wochenende oder in dessen Umfeld mehrere Gedenkfeiern statt. Betroffene Eltern und Angehörige sind von den Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorgern sowie den Kliniken eingeladen. Ebenso Menschen, die in ihrem Beruf mit dem Tod kleiner Kinder konfrontiert sind. In ihrer tiefen, lebenslangen Trauer können Eltern, Großeltern, Familien und Freunde Nähe, Unterstützung und Gemeinschaft erfahren.

  • Um 17 Uhr wird am Sonntag, 10. Dezember, zu einer Feier in das Münster in Bad Doberan eingeladen. Wer sich angesprochen fühlt, ist herzlich eingeladen, gemeinsam mit einer Gruppe betroffener Mütter, Väter und Geschwister das traditionelle gemeinsame Gedenken im Münster zu gestalten.
  • Zu einem Gottesdienst für verwaiste Eltern, Geschwister, Freunde und alle, die ihnen zur Seite stehen möchten, indem Kerzen für verstorbene Kinder angezündet werden, wird in Barth am Sonntag, 10. Dezember, um 18 Uhr in das Bibelzentrum Barth eingeladen. Der Gottesdienst findet in der Hospitalkapelle St. Jürgen statt. Wer möchte, dass dabei der Name eines bestimmten Kindes genannt wird, kann sich vor Beginn an Pastorin Nicole Chibici-Revneanu wenden.
  • Beim feierlichen Gedenken am Sonntag, 10. Dezember, in Greifswald können Eltern, Geschwister, Großeltern und Freunde ab 15 Uhr im Dom in Gemeinschaft an ihr verstorbenes Kind denken und sich gemeinsam mit anderen Betroffenen auf das weltweite Kerzenleuchten einstimmen. Vorbereitet und gestaltet wird die Feier von einem Mitarbeitenden-Team der Universitätsmedizin Greifswald unter der Leitung von Pastorin und Krankenhausseelsorgerin Brita Bartels.
  • In Ludwigslust wird zur Gedenkfeier am Sonntag, 10. Dezember, um 17 Uhr in die Stiftskirche eingeladen, wie Krankenhausseelsorger Stefan Döbler mitteilte.
  • Eine Gedenkandacht für verstorbene Kinder und Sternenkinder, die sich an trauernde Eltern, Geschwister, Großeltern und Freunde richtet, findet am Donnerstag, 14. Dezember, um 18 Uhr im Begegnungszentrum der Kirchengemeinde Sankt Michael, Straußenstraße 10a, in Neubrandenburg statt. Mit Erinnerungen, Kerzen, Stille und Musik laden die Kirchengemeinde und Krankenhausseelsorgerin Andrea Rosenow zu einem hoffnungsvollen Miteinander ein.
  • Seit vielen Jahren finden Kinder, die wegen ihres geringen Geburtsgewichts nicht von ihren Eltern bestattet werden müssen, auf dem Rostocker Westfriedhof eine würdige Ruhestätte. Auch in diesem Jahr laden die Krankenhausseelsorge und das Klinikum Südstadt zu einer Gedenkfeier für diese Kinder ein. Sie findet am Montag, 11. Dezember, auf dem Westfriedhof statt. „Die Feier beginnt um 11 Uhr am Eingangstor“, sagt Pastorin Hilke Schicketanz. Eingeladen sind alle Eltern, Geschwister und Angehörige, die um ein früh verstorbenes Kind trauern.
  • Auch in Schwerin findet seit einigen Jahren im Dom eine Gedenkfeier statt, um verstorbener Kinder und Geschwister zu gedenken. „Dazu sind am zweiten Adventssonntag, 10. Dezember, um 17 Uhr betroffene Eltern, Geschwister, Großeltern aus Schwerin und Umgebung eingeladen“, sagen Pastor Andreas Greve und Krankenhausseelsorgerin Karola Pfeifer. Die Feier werde durch ein Team der Krankenhausseelsorge in der Landeshauptstadt vorbereitet.
  • In Stralsund wird am Sonntag, 10. Dezember, um 14 Uhr auf den Zentralfriedhof zur Gedenkfeier eingeladen, so Pastorin Annekatrin Steinig vom Vorbereitungsteam.