Trauer um Sternenkinder und Geflüchtete: Der Gedenkbrunnen in Jüterbog

In Brandenburg gibt es einen Gedenkbrunnen an der Liebfrauenkirche. Er soll ein Trauerort sein für Menschen, die um Verstorbene mit unerreichbaren Gräbern trauern oder es gar keine Gräber gibt.

Gedenkbrunnen an der Liebfrauenkirche in Jüterbog mit Pfarrerin i.R. Mechthild Falk
Gedenkbrunnen an der Liebfrauenkirche in Jüterbog mit Pfarrerin i.R. Mechthild FalkKatharina Körting

„In der Auferstehung sind sie wie Engel im Himmel“ – dieses leicht verkürzte Zitat aus dem Matthäus-Evangelium (Matthäus 22,30) ist eingraviert in den granitgrauen Rand des neuen Gedenkbrunnens vor der Jüterboger Liebfrauenkirche. Lieblich plätschert das Wasser an der früheren Klosterkirche aus dem 12. Jahrhundert. Sie gehört zur St.-Nikolai-Gemeinde. Im Oktober wurde der Gedenkbrunnen mit einem Gottesdienst eingeweiht. „Wir widmen ihn stillgeborenen Kindern, Menschen, die auf der Flucht starben, und Menschen, deren Gräber vergangen oder unerreichbar sind“, sagt Initiatorin Mechthild Falk.

Trauer braucht einen Ort

Die Pfarrerin ist seit 2019 im Ruhestand, engagiert sich ehrenamtlich in der Flüchtlingsarbeit. Und nun für den Gedenkbrunnen. Unterstützung erhielt sie vor allem von Heinrich Winkelmann, bis 2018 Leiter des Kirchlichen Verwaltungsamtes Neukölln. Er koordinierte den Brunnenbau.

„Trauer braucht nicht nur Zeit, sondern auch einen Ort“, erklärt Falk. Dieser fehle aber vielfach – sei es, weil Trauernde, wie „ihre“ Geflüchteten aus Kamerun, Syrien, dem Iran oder der Ukraine, weit entfernt sind von ihrer Familie. Sei es, dass nicht lebensfähige Kinder, die heute von manchen „Sternenkinder“ genannt werden, zu einer Zeit geboren wurden, in der es für die Trauer um sie keine Rituale und kaum Verständnis gab. Lange Zeit wurde das Thema totgeschwiegen. Erst seit 2018 regelt ein Gesetz, dass totgeborene Säuglinge beim Standesamt dokumentiert werden können. Mittlerweile ist die Bestattung auch von Fehlgeburten möglich, wenn die Eltern dies wünschen.

Der Brunnen als tröstender Ort in der Bibel

Mechthild Falk hofft, „dass Trauernde den Ort annehmen. Manchmal machen wir eine kleine Trauerandacht.“ Der Brunnen als Ort der Begegnung Der Gedenkbrunnen an der früheren Klosterkirche soll „ein Ort zum Verweilen und Innehalten“ werden, wünscht sich die Theologin. Neben dem neuen Brunnen befindet sich ein kleines Gräberfeld sowjetischer Soldaten, mit und ohne Namen, darunter auch Frauen – und Kinder. Dahinter liegt der kirchliche Friedhof, der im Stil eines Gottesackers begehbar ist: Statt Grabsteinen sind Platten in den Boden eingelassen.

 

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„In der Bibel finden wir viele Brunnengeschichten“, erinnert die Pfarrerin, „oft erzählen sie von Begegnungen mit Gott“. Da ist etwa die Ägypterin Hagar (hebräisch für „Fremde“), die als Leihmutter von Abram versklavt an einem Brunnen Trost findet bei einem Engel Gottes (Genesis 16). Da ist die Samariterin am Jakobsbrunnen, auch sie eine Fremde, und doch bat Jesus sie um Wasser (Johannes 4). „Wie so viele Brunnen in der Bibel soll auch dieser ein Ort der Begegnung werden“, hofft Falk.

Finanzierung des Brunnens auf mehreren Schultern verteilt

27.000 Euro hat das Ganze gekostet. 16.000 Euro brachten Privatspender auf, 11 000 Euro spendete die Mittelbrandenburgische Sparkasse. Mit der Errichtung beauftragt war eine Jüterboger Firma, auf Grundlage einer kleinen Zeichnung von Guntram Falk, dem Ehemann der Pfarrerin. Demnächst werde noch ein Warnschild „Kein Trinkwasser“ ergänzt, denn der Brunnen wird mittels Umwälzpumpe kreisläufig versorgt. Wegen Frostgefahr wird er im Winter abgeschaltet.

Die Idee zum Gedenkbrunnen hatte Mechthild Falk im Jahr 2016, nach einem Besuch in der Children’s Chapel in Liverpool, einer Kathedrale für Kinder, die der Trauer um Früh- und Totgeborene Raum gibt. „Die Eltern hatten keinen Ort für Trauer und Trost“, erzählt Falk, „und da das leider auch Praxis in der DDR war, dachte ich, warum kann man einen solchen Ort nicht auch viele Jahre später schaffen?“

Der Gedenkbrunnen wird bereits rege genutzt. Einige haben bunte Steine dort abgelegt, mit den Namen Verstorbener, darunter einer, der an einen Mann erinnert, der sich das Leben nahm. Wegen Konflikten mit der Schwiegertochter wissen die Eltern nicht, wo er begraben liegt. „Dieser kleine Stein am Gedenkbrunnen ist der Grabstein für ihren Sohn“, sagt Falk.