Gedenken an NSU-Opfer in Köln – Bitte um Entschuldigung

20 Jahre ist es her, dass in Köln eine Nagelbombe mehrere Menschen verletzte. Der Bundespräsident erinnert an den rechtsterroristischen Anschlag – und der NRW-Ministerpräsident bittet die Opfer um Entschuldigung.

Für Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier ist es eine “bittere Wahrheit”, dass die Umtriebe der rechtsterroristischen Gruppe NSU lange nicht als solche erkannt worden seien. “Wir, Politik, der Staat und seine Sicherheitsbehörden haben die Dimension des rechten Terrors, dessen blutige Spur sich über mehr als zehn Jahre durchs Land zog, lange nicht wahrhaben wollen”, sagte er laut Redemanuskript bei einer Gedenkveranstaltung am Sonntag in Köln.

Anlass war der 20. Jahrestag des Nagelbombenanschlags des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in der Keupstraße. Dort waren am 9. Juni 2004 insgesamt 22 Menschen von der Bombe verletzt worden, vier von ihnen schwer. Zu der Tat bekannte sich der NSU.

“Wir waren lang blind für ein Netzwerk, das aus Rassenhass und menschenfeindlicher Nazi-Ideologie mordete, verletzte und raubte, obwohl es durchaus Spuren hinterließ”, so das Staatsoberhaupt. In der Zeit der Aufklärung habe der Blick dann auf den Tätern geruht. Oft sei in den Hintergrund geraten, auch die Geschichten der Opfer und ihrer Angehörigen zu hören und ihre Erinnerungen wahrzunehmen.

“Ausgerechnet die Menschen, die vom Terror getroffen geworden waren, wurden zum Ziel polizeilicher Ermittlungen. Sie wurden verhört, durchsucht, manche über Jahre unter Druck gesetzt. Diese Ungerechtigkeit, nicht als Opfer gesehen zu werden, sondern stigmatisiert oder mit quälenden Gerüchten konfrontiert zu werden, mussten Sie hier in Köln erleben.” Ähnlich sei es Angehörigen der NSU-Opfer auch in anderen Städten gegangen, betonte Steinmeier.

“Den Opfern und ihren Angehörigen will ich sagen: Mit dem Wissen von heute ist uns klar: Schon in den neunziger Jahren hätte der Staat den Rechtsextremismus systematischer beobachten und entschlossener bekämpfen müssen.” Diese Erkenntnis wiege schwer, betonte der Bundespräsident. “Aber sie hat zwei Seiten. Denn in ihr zeigt sich eine Stärke, die allein die Demokratie besitzt: Als einzige Staatsform ist sie in der Lage, Fehler aufzuarbeiten.”

Steinmeier sagte, dass die Demokratie im Kleinen, im Alltag verteidigt werde. Wichtig sei, beim Streiten den Respekt nicht zu vergesse und Gewalt im politischen Meinungskampf zu ächten – “ganz gleich, aus welchen Motiven sie sich speist: links- oder rechtsextremistisch oder aus religiösem Fanatismus”. Die Gesellschaft müsse zusammenhalten und dürfe sich nicht spalten lassen.

Auch der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Hendrik Wüst (CDU), lenkte den Blick auf Versäumnisse und bat die Betroffenen um Entschuldigung. “Der Staat, dessen vorderste Aufgabe es ist, die Menschen zu schützen, muss eingestehen, dass er in der Keupstraße an diesem Anspruch gescheitert ist. Er hat die Menschen nicht geschützt. Er hat sie weder vor körperlichen und seelischen Schäden noch vor falschen Verdächtigungen bewahrt”, schreibt der Politiker in einem Gastbeitrag für den “Kölner Stadt-Anzeiger” (Samstag) und die türkische Zeitung “Hürriyet”. Er bitte “alle, denen so lange nicht geglaubt wurde und die fälschlicherweise selbst ins Visier der Ermittlungen gerieten, obwohl sie Opfer waren, um Entschuldigung”.

Auch die Gesellschaft und die Medien hätten Fehler gemacht, wie die Einführung des “unsäglichen Begriffs der ‘Dönermorde'” zeige. Das “engstirnige Denken in geistigen Schubladen” sei die Quelle der Fehler gewesen. “Gerade jetzt, wo rechtsradikale Parteien mit Vorurteilen und Ausgrenzung wieder erfolgreich Politik machen, muss die demokratische Mitte gemeinsam gegen ein solches Denken einstehen”, fordert der CDU-Politiker.