Holocaust-Gedenktag für Sinti und Roma: „Wir müssen vorsichtig sein“

Sie starben in den Gaskammern von Auschwitz. An die ermordeten Sinti und Roma ist am heutigen Gedenktag erinnert worden.

Im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau starben Tausende Sinti und Roma
Im ehemaligen KZ Auschwitz-Birkenau starben Tausende Sinti und RomaImago / Rolf Zöllner

Sinti und Roma aus ganz Europa haben in der Gedenkstätte Auschwitz-Birkenau an die in der Zeit des Nationalsozialismus rund 500.000 ermordeten Frauen, Männer und Kinder der Minderheit erinnert. Dabei wurde an die andauernde Diskriminierung und Ausgrenzung von Sinti und Roma in vielen europäischen Ländern und vor einem Comeback rassistischer und nationalistischer Ideologien gewarnt.

In vielen osteuropäischen Ländern lebten Roma immer noch unter Apartheid-ähnlichen Bedingungen, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose. Antiziganismus nehme den Menschen ihre Würde. Es müsse der Anspruch der EU sein, Antiziganismus genauso zu ächten wie Antisemitismus.

Appell an die Bundesländer

Rose appellierte an die Innenminister der Bundesländer, endlich die Unrechtsgeschichte der Polizei im NS-Staat und nach 1945 aufarbeiten zu lassen: „Und beenden Sie damit endlich die rassistische und antiziganistische Sondererfassung und Kriminalisierung von Sinti und Roma auf dieser Grundlage.“

Der Vorsitzende der Vereinigung der Roma in Polen, Roman Kwiatkowski, betonte, es sei kein Widerspruch, Sinti und Roma und zugleich Bürger eines Landes zu sein. Jede Manifestation von Diskriminierung und Ausgrenzung sei für Sinti und Roma heute nach den Erfahrungen in der NS-Zeit ein Weckruf. Echte Teilhabe gebe es nur, wenn die Rom-Gemeinschaften in Entscheidungen miteinbezogen würden, die sie betreffen.

Romani Rose ist Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma in Deutschland
Romani Rose ist Vorsitzender des Zentralrates der Sinti und Roma in DeutschlandImago / Sven Simon

Die Holocaust-Überlebende Gerda Pohl berichtete in ihrer Rede von den Demütigungen nach dem Krieg, die sie wie die NS-Zeit dauerhaft geprägt hätten. „Wir waren fleißig, aber wurden von Mitschülern und Lehrern als Sinti drangsaliert“, erzählte Pohl. Vieles sei in den vergangenen Jahren besser geworden. Aber die Wahlerfolge rechter Parteien in vielen europäischen Ländern machten ihr Angst. „Wir müssen vorsichtig sein, dass es nicht wieder losgeht“, warnte sie.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Nicola Beer (FDP), betonte, auch das EU-Parlament müsse seine Bemühungen im Kampf gegen Diskriminierung verstärken: „Es muss jedem klar sein: Sinti und Roma sind europäische Bürger mit den gleichen Rechten, Freiheiten und Perspektiven.“ Antiziganismus stehe im klaren Widerspruch zu den europäischen Grundwerten und dem Verständnis von Gleichheit für alle Menschen.

Sinti und Roma: Politiker gedenken der Verfolgung

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) betonte in Berlin, der Kampf um deren Teilhabe müsse auch beim Zugang zu Beschäftigung, Bildung, Gesundheitsversorgung und Wohnen weitergehen. Der Präsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, sagte in Berlin, die Verachtung und der Hass, der Sinti und Roma bis heute in vielen europäischen Ländern entgegenschlage, sei eine Schande für Europa und eine offene Wunde. Das Deutsche Institut für Menschenrechte forderte Bundesregierung und Bundestag auf, das den Sinti und Roma während der NS-Zeit und nach 1945 zugefügte Unrecht anzuerkennen und angemessen zu entschädigen.

An dem Gedenken nahmen auch der Beauftragte der Bundesregierung gegen Antiziganismus, Mehmet Daimagüler, und die Thüringer Migrationsministerin und Antiziganismusbeauftragte, Doreen Denstädt (Grüne), teil. Daimagüler hatte zuvor die anhaltende Diskriminierung vom Roma und Sinti in Deutschland kritisiert. „Wir können nicht die Opfer achten und ihre Kinder, Enkel und Urenkel verachten“, erklärte er.

Am 2. August 1944 hatte die SS mit der Liquidation des sogenannten Zigeunerfamilienlagers im KZ Auschwitz-Birkenau begonnen. Etwa 4.300 dort verbliebene Sinti und Roma wurden in den Gaskammern ermordet. Das Europäische Parlament erklärte im Jahr 2015 den 2. August zum europäischen Gedenktag.