Fußball-EM: Viertelfinale als Stummfilm mit Orgelimprovisation

Ein außergewöhnliches Fußballevent erwartet musikbegeisterte Fans bei einem der EM-Viertelfinale: Am 5. Juli präsentiert die evangelische Christuskirche München-Neuhausen im Rahmen des Münchner Orgelsommers das Match, das aus Hamburg übertragen wird, als Stummfilm mit Live-Orgelimprovisation. Der Berliner Organist und Musikpsychologe Jakub Sawicki nutzt dabei die 3.124 Pfeifen der Rieger-Orgel samt Zimbelstern, um die Zuschauerinnen und Zuschauer mit seiner Musik emotional zu begleiten. „Ich heize an, wenn die Mannschaft schwächelt oder beruhige in dramatischen Momenten – beim Gegentor muss die Orgel auch mal trösten“, erklärte der Improvisationskünstler, der das Fach an der Universität der Künste in Berlin und in Basel unterrichtet, im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Wie so eine musikalische Tröstung aussehe, könne er vorher nie sagen. Improvisation sei ein einmaliger Prozess: „Natürlich habe ich als Musiker tausende Möglichkeiten im Kopf, auf die ich zurückgreifen kann. Aber welche genau in dem Moment passiert, weiß ich vorher nicht“, sagte der 40-Jährige, der als Kirchenmusiker im Berliner Dom tätig ist. 90 Minuten lang zu spielen, konzentriert das Fußballmatch zu verfolgen, die Stimmung des Publikums aufzunehmen und in Musik zu übersetzen, brauche Kondition: „Hinterher bin ich selbst völlig erledigt.“

Das Konzept sei uralt: „Seit die Orgel im 3. Jahrhundert vor Christus erfunden wurde, hat sie die Spiele der Römer und der Griechen begleitet – auch im Circus Maximus“, erklärte Sawicki. Die Musik sollte die Massen psychologisch begleiten. Diese Idee habe sich bis in die 1920er-Jahre gehalten, als in den USA bei Hockeyspielen oder beim American Football in vielen Arenen ein Stadionorganist spielte, um die Stimmung anzuheizen oder zu beruhigen. „Wenn das eigene Team gewonnen hatte, bekam er übrigens auch einen Preis“, so der Organist.

Zum Kircheninstrument sei die Orgel erst im 8. Jahrhundert durch ein kaiserliches Geschenk geworden: Damals überbrachte der byzantinische Kaiser Konstantin V. eine Orgel an Kaiser Karl den Großen – seither ist die Königin der Instrumente eher in Kirchen als in Stadien zu finden. (00/1919/24.06.2024)