Friedenspädagoge: „Alles auf die AfD zu schieben, hilft auch nicht!“

In Deutschland demonstrieren seit Wochen Hunderttausende gegen Rechtsextremismus, die nächste große Demo in Hamburg ist am Sonntag (25. Februar, 13 Uhr) am Dammtor geplant. Wer dort oder anderswo von Vertretern rechtsextremer Ansichten angesprochen und provoziert wird, sollte nach Ansicht des Hamburger Politikwissenschaftlers Paul Steffen (56) Ruhe bewahren. „Provokation mit Empörung zu beantworten, führt in die Eskalation“, sagt er dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Es hilft auch nicht, allen Ärger nur auf die AfD zu schieben und sie zum Hauptfeind zu erklären.“

An unterschiedlichen Themen wie Landwirtschaft, Einwanderung oder ökologischer Transformation entlade sich aktuell die Verachtung gegen „die Ampel“, „die Mainstream-Medien“ oder „das System“, sagt Steffen, der im evangelischen Kirchenkreis Hamburg-West/Südholstein Workshops über den Umgang mit Rechtspopulismus anbietet und das Projekt „Akzeptanz“ an Schulen koordiniert. Oft reiche „nur ein falsches Wort“, um Streit anzustacheln. Gemeinde-Mitarbeitende und Jugendgruppenleiter, die seine Workshops besuchen, seien verunsichert. Viele würden zunehmend mit rechten Parolen und Gedanken konfrontiert.

Damit Debatten nicht eskalieren, brauche es Moderationstechniken. „Für das Gespräch sollten Regeln vereinbart werden, etwa sich gegenseitig ausreden zu lassen“, sagt der Friedenspädagoge. Oberste Regel sei, erst einmal höflich zu bleiben und Kritik möglichst wenig aggressiv zu formulieren. Auch helfe es, gemeinsame Werte wie Menschenrechte, Respekt oder Gewaltfreiheit zu suchen. Nicht zuletzt könne auch mal Betroffenheit gezeigt und gesagt werden, was man schwer erträglich findet. Steffen: „Einfach gar nichts sagen geht nicht, das wird oft als stumme Zustimmung missverstanden.“

Wer offene Fragen stellt, verschaffe sich Zeit und fordert sein Gegenüber auf, Aussagen zu erklären. „Wir müssen genau hinhören, um Argumente und Beweggründe zu verstehen. Es kann ein Gespräch beruhigen, wenn man den nachvollziehbaren Kern benennt.“ Sorgen ernst zu nehmen, heiße dabei nicht, Schlussfolgerungen zuzustimmen.

Wer merkt, dass menschenfeindliche Aussagen auf persönlich erfahrene Ungerechtigkeiten zurückzuführen sind, könne sich empathisch zeigen und gleichzeitig deutlich machen, dass er es nicht okay findet, bestimmten Gruppen die Schuld zu geben. Wer auf rechtsextremistische Parolen nichts zu sagen weiß, könne sich mit der Antwort „Dazu sage ich jetzt nichts – es gefällt mir aber nicht“ abgrenzen.

Rhetorische Fallstricke seien Antworten des Gegenübers wie: „Hier darf man ja nichts mehr sagen“. Steffen rät hier zur erklärenden Gegenantwort: „Wir reden hier doch miteinander und eine Meinung zu kritisieren, ist kein Sprechverbot.“ Neben Widerworten helfe vielleicht auch die Zeit. Steffen: „Ein Gespräch ändert keine Haltung, kann aber Impulse setzen, zum Nachdenken animieren und Meinungen infrage stellen.“ Und das gehe nicht von heute auf morgen.