Flüchtlingsbeauftragte der Nordkirche: „Eingeschränkte Bezahlkarte entmündigt Geflüchtete“

Hamburg gibt sie schon aus, Schleswig-Holstein tüftelt an ländereigenen Regeln und Mecklenburg-Vorpommern geht bei der Vergabe eigene Wege. Die Bezahlkarte für Geflüchtete kommt und steht in der Kritik.

Mit einer Bezahlkarte sollen Asylbewerber nur Sachleistungen beziehen können (Symbolbild)
Mit einer Bezahlkarte sollen Asylbewerber nur Sachleistungen beziehen können (Symbolbild)Imago / Bihlmayerfotografie

Asylsuchende werden künftig kein Bargeld, sondern Bezahlkarten bekommen. Hamburg gibt die Karte bereits seit Mitte Februar aus. In Schleswig-Holstein soll sie bis Ende des Jahres eingeführt werden. Mecklenburg-Vorpommern geht bei der Vergabe eigene Wege und plant die Einführung ab Oktober. Die Referentin für Flucht und Menschenrechte der Nordkirche, Katherine Braun, kritisiert die geplanten Einschränkungen bei der Bezahlkarte. „Damit werden die Betroffenen entmündigt“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Asylsuchende werden künftig kein Bargeld, sondern Bezahlkarten bekommen. Hamburg gibt die Karte bereits seit Mitte Februar aus. In Schleswig-Holstein soll sie bis Ende des Jahres eingeführt werden. Mecklenburg-Vorpommern geht bei der Vergabe eigene Wege und plant die Einführung ab Oktober. Die Referentin für Flucht und Menschenrechte der Nordkirche, Katherine Braun, kritisiert die geplanten Einschränkungen bei der Bezahlkarte. „Damit werden die Betroffenen entmündigt“, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Was halten Sie von der Einführung der Bezahlkarte für Geflüchtete?
Katherine Braun: Die Bezahlkarte kann für Geflüchtete in Erstaufnahmeeinrichtungen, die noch kein eigenes Konto haben, sinnvoll sein und auch Kommunen entlasten. Voraussetzung ist aber, dass die Betroffenen nicht entmündigt und Verwaltungen wirklich entlastet werden. Aktuell geht es jedoch eher um die Reaktion auf populistische Stimmungsmache, die auf dem Rücken von Schutzsuchenden ausgetragen wird. So wie die Bezahlkarte jetzt geplant ist, schränkt sie Grund- und Menschenrechte ein und verstärkt Diskriminierungen. Die Karte soll Bargeldauszahlungen begrenzen, keine Kontofunktion haben und die Kommunen können die Nutzung nach Postleitzahlen einschränken.

Was bedeutet das für die Geflüchteten?
Wer kein eigenes Konto hat, profitiert davon, dass er in Erstaufnahmeeinrichtung nicht mehr in langen Warteschlangen auf die Auszahlung warten muss. Wenn die Bezahlkarte Einschränkungen hat, haben Asylsuchende aber vor allem Nachteile: Zahlungen in Online-Shops, in Sozialkaufhäusern, auf Flohmärkten, im Schul-Kiosk und in kulturellen Einrichtungen sind nicht möglich. Menschen werden gezwungen, nur in bestimmten Geschäften einzukaufen. Noch dazu können sie von Kommunen kontrolliert werden. Im Kontext populistischer Stimmungen könnte das auch in Straflust münden.

Wie wird sich Migration durch die Bezahlkarte verändern?
Dass durch Einschränkungen „Anreize“ für eine Flucht nach Deutschland verhindert werden sollen, ist fast zynisch. Die Bezahlkarte wird Menschen auf der Flucht vor Gewalt, Verfolgung, Armut und den Auswirkungen der Klimakrise nicht davon abhalten, bei uns Schutz zu suchen. Menschen kommen vor allem wegen Rechtssicherheit, fairen Asylverfahren und Achtung der Menschenrechte nach Deutschland. Der aktuelle populistische Tonfall in der Debatte schreckt aber viele ausländische Fachkräfte ab, die deutsche Unternehmen dringend brauchen. Das kann sich dieses Land eigentlich nicht leisten.

Im Supermarkt sollen Asylsuchende mit Karte bezahlen
Im Supermarkt sollen Asylsuchende mit Karte bezahlenImago / Photothek

Hintergrund: Die Bezahlkarte im Norden

Hamburg

In Hamburg gibt es die Bezahlkarte bereits seit dem 15. Februar unter dem Namen „SocialCard“. Stand 5. März sind laut Amt für Migration in Hamburg 287 Karten ausgegeben worden. Es handelt sich um eine guthabenbasierte Visa-Karte, die im Amt für Migration ausgegeben wird.

Jeder Erwachsene erhält laut Sozialbehörde eine monatliche Gutschrift von 185 Euro. Leistungen für Kinder werden auf der Karte eines Elternteils gutgeschrieben. An Geldautomaten können bis zu 50 Euro pro Monat in bar abgehoben werden.

Die Karte kann in allen Geschäften und bei allen Dienstleistern verwendet werden, die Kartenzahlung akzeptieren. Zudem gibt es eine App für das Smartphone. Im Ausland oder online funktioniert die Karte nicht.

Schleswig-Holstein

In Schleswig-Holstein soll die Bezahlkarte bis spätestens Ende des Jahres eingeführt werden, heißt es von der Landesregierung. Es wird sich um eine guthabenbasierte Karte mit sogenannter Debit-Funktion handeln. Wichtig sei unter anderem, dass für die Kommunen kein bürokratischer Mehraufwand durch die Ausgabe entsteht.

Bei der konkreten Gestaltung der Zusatzfunktionen ist sich die schwarz-grüne Koalition noch nicht einig, so ist etwa die Frage über die Höchstgrenze der möglichen Bargeldauszahlung bislang offenbar nicht geklärt.

Mecklenburg-Vorpommern

Lediglich das Vergabeverfahren wird in MV anders geregelt, da sich Innenminister Christian Pegel (SPD) dadurch ein schnelleres Ergebnis erhofft. Die Bezahlkarte soll ab Oktober an Geflüchtete im Land ausgegeben werden können.

Inhaltlich soll das System der Bezahlkarte auch in MV die bundesweiten Mindeststandards haben. Die Karte wird die Barauszahlung an Geflüchtete in Teilen ersetzen. Überweisungen sollen nicht möglich sein.