Fasziniert von den Schätzen in Pommern

Sie hat zuletzt das Lutherhaus in Wittenberg geleitet, jetzt will sie das Pommersche Landesmuseum noch bekannter machen: Ruth Slenczka, eine passionierte Historikerin, Kunst- und Kirchengeschichtlerin.

Ruth Slenczka wollte als Kind Missionarin oder Museumsleiterin werden
Ruth Slenczka wollte als Kind Missionarin oder Museumsleiterin werdenSybille Marx

Greifswald. Ein Haus, das die pommersche Landesgeschichte erzählt und zugleich Originale von weltberühmten Malern wie Caspar David Friedrich beherbergt: Für Ruth Slen­cz­­ka, eine leidenschaftliche Historikerin, Kunst- und Kirchengeschichtlerin, fühlt sich die neue Stelle am Pommerschen Landesmuseum in Greifswald an wie ein Glücksfall. Zum 1. Februar hat die 54-Jährige die Leitung übernommen. „Ich freue mich jeden Tag über diese Chance“, sagt sie. „Ein Haus mit einem so breiten Themenspektrum zu leiten, ist einfach wahnsinnig reizvoll.“ Privat passe es auch; das letzte ihrer vier Kinder sei gerade ausgezogen. „So kann ich in Greifswald nochmal richtig durchstarten.“

Nicht, dass sie vorher nur das Haus gehütet hätte. Ruth Slenczka, geboren in Köln, hat in Mainz, Bonn und Göttingen Geschichte, Kunst- und Kirchengeschichte studiert, danach über „Lehrhafte Bildtafeln in spätmittelalterlichen Kirchen“ promoviert, in Potsdam, Berlin und anderswo Ausstellungen kuratiert, zuletzt zwei Jahre lang das Luther- und das Melanchthon-Haus in Wittenberg geleitet: jene Häuser in der sächsisch-anhaltinischen Provinz, in denen die Reformatoren ihre weltverändernden Ideen entwickelten.

Verstörender Antisemitismus

Die Arbeit sei spannend gewesen, sagt sie – zumal es unter anderem darum ging, Luther in seinen Ambivalenzen zu zeigen, auch mit seinem heute verstörend wirkenden Antisemitismus, aber ohne den Wunsch nach Moralisierung zu bedienen. „Unser Ziel war es, die Besucher mündig zu machen.“ Unterschiedliche Perspektiven aufzuzeigen.

Bemerkenswerte Geschichte

Weil die Wittenberger Stelle befristet war, begann Ruth Slenczka nach Alternativen zu suchen. Im Nachhinein ist sie glücklich darüber: „Es macht mir unglaublich viel Spaß, mich jetzt hier reinzuarbeiten.“ Das Pommersche Landesmuseum sei sehr besonders. Allein schon durch Originale wie den gewebten, gut 30 Quadratmeter großen Croy-Teppich von 1554, der Mitglieder des sächsischen Kurfürstenhauses und des pommerschen Herzoghauses zeigt. „Ein Teppich aus der Reformationszeit in dieser Größe ist einzigartig“, sagt Slenczka. Weltweit gebe es sonst nur Fragmente vergleichbarer Tapisserien­.

Auch die Tatsache, dass die pommersche Landesgeschichte eine deutsch-schwedische und deutsch-polnische ist und die Dauerausstellung des Hauses nicht mit Flucht und Vertreibung aufhört, sondern bis zur Öffnung der Grenze zwischen Deutschland und Polen 2007 fortgeführt wird, findet sie bemerkenswert. In den kommenden Jahren soll die Gemäldegalerie mit dem Schwerpunkt Romantik umgestaltet, saniert und um einen Neubau erweitert werden. Unter Urlaubern, so hat sich Ruth Slenczka zum Ziel gesetzt, müsse angesichts all dieser Schätze klar werden: „Der Besuch des Landesmuseums ist für einen Urlaub in Vorpommern alternativlos.“

Katalog entsteht

Sie selbst war schon als Kind von Museen fasziniert. Museumsbesuche mit dem Vater, einem Zoologen, gehörten zu ihren schönsten Erlebnissen: „Er hat immer nur wenige Ausstellungsstücke mit uns angeguckt, aber die in einen größeren Zusammenhang gestellt. Da kriegte man die Augen geöffnet.“ Zwischen Berufswünschen wie Missionarin hatte Slenczka darum schon früh auch diesen: Museumsleiterin zu werden, die alten Schätze zum Sprechen zu bringen.

Heute zeigen so viele Museen Teile ihrer Ausstellungen online, dass man fast auf die Idee kommen könnte, Originale müsse keiner mehr ausstellen. Ruth Slenczka sieht es anders: Wer ein Ausstellungsstück vor sich habe, das über Jahrhunderte gepflegt worden sei, erkenne leichter den Wert des Erbes. „Auch Materialität und Dimensionen lassen sich im Raum am besten erfassen.“ Zusätzlich im Internet über die Ausstellungsstücke zu informieren, sei für Museen aber wichtig. „Die Kollegen am Städel in Frankfurt haben dazu geforscht und festgestellt, dass das die Besucherzahlen nicht schwächt, sondern gerade stärkt.“

Homepage im Umbau

Lehrer könnten die Besuche mit Schulklassen besser vor- und nachbereiten, Einzelne ihren Freunden Hinweise schicken. „Mit der Internetseite des Pommerschen Landesmuseums geht das bisher nicht; wir sind aber dabei, sie neu zu entwerfen.“ Auch ein Katalog zur Dauerausstellung entstehe gerade. „Der hat mir immer gefehlt, wenn ich mal hier war.“

Dass Ruth Slenczka nicht aus Pommern kommt und sich mit den unterschiedlichen Sichten auf die pommersche Landesgeschichte selbst erst noch vertraut machen muss, sorgte nach einem Bericht der Ostsee-Zeitung in der Pommerschen Landsmannschaft anfänglich für Unmut. Ruth Slenczka kann das verstehen. „Meine Aufgabe ist es allerdings nicht, zur Landesgeschichte zu forschen.“ Das täten viele Vereine, Verbände und Fachleute in der Region, für die das Museum weiter ein Forum sein werde. „Dass ich selbst einen frischen, wachen Blick von Außen habe, ist für meine Position viel wichtiger.“ Im Übrigen arbeite sie als Leiterin im Team: „Und ich habe hier überragende, engagierte Fachleute.“