Experte Karim Fereidooni: Gesellschaft verdrängt Rassismus

Nach der aufgeheizten Debatte um „Blackfacing“ haben wir den Bochumer Rassismusexperten Karim Fereidooni gefragt: Wie können wir als Gesellschaft respektvoll über Rassismus sprechen?

Karim Fereidooni ist Rassismusforscher an der Ruhr-Uni Bochum
Karim Fereidooni ist Rassismusforscher an der Ruhr-Uni BochumRUB/ Marquard

Dürfen sich Sternsinger schwarz anmalen? Die Diskussion über „Blackfacing“ hat auf evangelische-zeitung.de in den vergangenen Tagen für Diskussion gesorgt. Die Theologin Sarah Vecera sagt im Interview: „Blackfacing“ sei kein harmloses Brauchtum. Für die katholische Bloggerin Anna Diouf, ebenfalls Person of Color (PoC), sei es grundsätzlich in Ordnung, dass sich Menschen zum Beispiel an Karneval schwarz anmalen.

Der Vorwurf einiger Userinnen und User: Dies sei keine ausgewogene und faire Berichterstattung. Schließlich sei Vecera eine Expertin auf dem Gebiet, Diouf hingegen würde lediglich ihre Meinung äußern. Und: Durch ihre Einschätzung würde Rassismus kleingeredet.

Fereidooni: „Blackfacing“ ist rassistisch

Kaum ein anderes Thema scheint so brisant, so sensibel wie Rassismus. Aus gutem Grund, wie Karim Fereidooni, Professor für Didaktik der sozialwissenschaftlichen Bildung an der Ruhr-Universität Bochum, erklärt: „Wir haben seit über 500 Jahren gelernt, spezifische Menschen abzuwerten – sei es in der Literatur, in der Musik, im Museum oder in Schulbüchern.“ Rassismus sei ein Strukturierungsmerkmal der Gesellschaft. Und: Rassismus habe bestimmte Funktionen. Zum Beispiel, die eigene Gruppe aufzuwerten, indem eine andere abgewertet wird. Fereidooni forscht seit vielen Jahren zu den Themen Rassismus und Antisemitismus, berät auch die Bundesregierung.

 

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Was „Blackfacing“ angeht, meint der Experte: Vielen Menschen sei nicht bewusst, in welcher rassistischen Tradition „Blackfacing“ stehe. Nach den Worten von Fereidooni geht dies zurück auf die „Minstrel Shows“, die in den 1840ern bis in die 1870er in den USA weit verbreitet waren. „In diesen Klamauk-Veranstaltungen haben sich weiße Menschen, vor allem Männer, schwarz angemalt und alle Stereotype über schwarze Menschen bedient“, sagt der Wissenschaftler und betont: „Viele Menschen denken, weil man Dinge Jahrzehnte lang gemacht ist, sind sie okay. Und ich denke: Das ist nicht okay.“

Auf „Blackfacing“ sollte man nach Ansicht des Professors nicht nur verzichten, um nicht rassistisch gegenüber schwarzen Menschen zu sein, sondern auch, um weißen Menschen vor der Übernahme des Rassismus zu schützen. Fereidooni ermutigt dazu, auch als weißer Mensch gegen Rassismus aufzustehen.

Manchen PoC sind rassistische Erfahrungen gar nicht bewusst

Was nun, wenn eine PoC selbst sagt, dass es für sie nicht weiter schlimm sei, wenn sich Menschen das Gesicht dunkel schminken, wie Anna Diouf es im Interview gesagt hat? „Alle Menschen haben ein Recht auf ihre Meinung, aber nicht auf Fakten“, meint Fereidooni und betont: „Blackfacing ist und bleibt rassistisch“. Er vermutet aufgrund seiner wissenschaftlichen Arbeiten zu dem Thema: „Viele Menschen, die angeben, keine Rasssismuserfahrungen gemacht zu haben, haben sehr wohl Rassismus erlebt.“ Sie hätten jedoch nicht die Kompetenz, diese auch zu benennen und darüber zu sprechen. Schließlich würde ihnen ständig eingeredet, Deutschland sei demokratisch und unternehme schon viel gegen Rassimus.

Vielen Menschen, die Rassismus erfahren, würden auch rassistische Denk- oder Handlungsmuster übernehmen – wenn auch unbewusst, so Fereidooni. Dann gebe es auch noch diejenigen, die rassistische Erlebnisse ignorieren würden – eine Bewältigungsstrategie, wie der Experte erklärt. Genauso wie Humor, mit denen einige PoC Rassismus begegnen. „Immer in der Hoffnung, dass der Schmerz nicht an sie heran kommt.“

Und, so ist sich Fereidooni sicher: „Wenn ein PoC sagt, es gibt keinen Rassismus in unserer Gesellschaft, dann kriegt er viel mehr Applaus von der Mehrheitsgesellschaft, als wenn ein POC sagt: „Rassismus ist ein Problem in unserer Gesellschaft. Lasst uns bitte darüber sprechen“

Familien sollten zu Hause über Rassismus sprechen

Um sachlich und respektvoll über Rassismus sprechen zu können, müsse früh angesetzt werden, so der Rassismusforscher. Etwa an Universitäten, Schulen und – für Fereidooni ganz wichtig: zu Hause in den Familien. „Ich kenne viele schwarze Eltern, die mit ihren Kindern über Rassismus sprechen. Weiße Eltern tun das meiner Erfahrung nach weniger.“