„Blackfacing“ bei Sternsingern: Anna Diouf widerspricht Sarah Vecera

Die Theologin Sarah Vecera hat dazu aufgerufen, das „Blackfacing“ bei der Sternsinger-Aktion zu hinterfragen. Im Interview widerspricht ihr die katholische Bloggerin Anna Diouf.

Annas Herzensthemen sind nach eigenen Worten: Christsein in einer säkularen Welt, Frausein in einer Männerwelt, Schwarzsein in einer weißen Welt
Annas Herzensthemen sind nach eigenen Worten: Christsein in einer säkularen Welt, Frausein in einer Männerwelt, Schwarzsein in einer weißen WeltR. Reichinek

Unter einem Beitrag auf unserem Instagram-Kanal gibt es derzeit heftige Diskussionen. Es geht um das Thema „Blackfacing“. Anlass war ein Interview mit der Theologin Sarah Vecera. Auch Anna Diouf, selbst Person of Color (PoC), hat sich in die Debatte eingebracht. Redakteurin Carina Dobra hat mit ihr gesprochen.

Du hast auf unseren Social Media-Beitrag mit dem Zitat von Sarah Vecera über „Blackfacing“  reagiert. Warum bist du anderer Meinung, was findest du schwierig bei Sarahs Aussagen?
Anna Diouf: Ich fand problematisch, dass die katholische Perspektive gar nicht wahrgenommen wird. Wenn es zum Beispiel als Argument heißt, die Heiligen Drei Könige seien doch sowieso nicht biblisch. Das ist irreführend: Auf der biblischen Grundlage der „Weisen aus dem Morgenland“ haben sich eben Traditionen entwickelt. Warum werden die Weisen als Könige betrachtet? Weil in den Psalmen bereits steht, dass „Könige“ kommen werden, um Geschenke zu bringen. Das haben die frommen Menschen dann so gelesen, dass die Weisen, die im Neuen Testament beschrieben werden, eben diese Könige aus dem Alten Testament sein müssten. Und das hat sich verfestigt, weil damit auch eine tiefe Symbolik verbunden ist: Die Bibel sagt, dass Jesus der „König der Könige“ ist, also werden ihn auch die Könige der Welt verehren. Das ist also sehr biblisch, verknüpft aber mehrere Bibelstellen. Das ist für den katholischen Glauben typisch, und das sollte eine Theologin wissen, auch wenn sie die Bibel als Protestantin anders liest.

Das Urteil ist also undifferenziert und unsensibel. Genauso beim Blackfacing selbst. Frau Vercera schreibt, es sei eine rassistische amerikanische Tradition. Als ob die Sternsinger das aus den USA übernommen hätten! In unterschiedlichen Erdteilen hat sich eben aus unterschiedlichen Gründen der Brauch herausgebildet, sich das Gesicht zu bemalen, um einen schwarzen Menschen darzustellen. In den USA aus rassistischen Motiven. Im europäischen Katholizismus, um zu unterstreichen, dass Jesus für alle Menschen gekommen ist. Sie vergleicht Äpfel mit Birnen.

Und drittens fand ich die Verquickung mit Kolonialismus und Rassenlehre wirr. Da werden einfach Reizworte wild zusammengeworfen, ohne Einordnung, ohne dass sich ein Leser, der sich mit Geschichte nicht auskennt, ein Bild machen kann. Zu dieser verzerrenden Darstellung ließe sich noch einiges sagen.

 

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Du findest „Blackfacing“ also nicht rassistisch? Auch etwa mit Blick auf Karneval. Da gibt es die Diskussion ja auch immer wieder.
Das Blackfacing, wie es aus den USA kommt, ist natürlich rassistisch. Man hat dort Afroamerikaner, aber auch Asiaten karikierend und grotesk dargestellt, und später auch Künstlern die Teilhabe am Kunstbetrieb vorenthalten, wenn man Rollen lieber von geschminkten hellhäutigen Menschen hat darstellen lassen. Aber es gibt eben nicht nur Blackfacing im eigentlichen Sinne. Beim Karneval etwa finde ich als Rheinländerin es in Ordnung. Zum Karneval gehört, sich selbst nicht so ernst zu nehmen. Deshalb darf man dann auch andere auf die Schippe nehmen. Aber ich kann auch verstehen, wenn Schwarze sich verletzt fühlen, wenn andere sich dunkel schminken. Vor allem, wenn es ins Groteske geht. Da würde ich persönlich die Grenze ziehen zwischen jeck und geschmacklos.

Erlebst du selbst Rassismus im Alltag?
Rassismus bedeutet meiner Ansicht nach im weiteren Sinne, einen Menschen aufgrund seiner Ethnie oder Hautfarbe zu bewerten, und im engeren Sinne, ihn deshalb abzuwerten. Ich unterscheide das: Es gibt harmlose Vorurteile, zum Beispiel, dass Schwarze „Musik im Blut“ hätten. So etwas kann je nach Situation auch verletzen, aber ich bin dafür, das gelassen richtigzustellen. Dahinter liegt keine rassistische Motivation, sondern ein ganz normaler Mechanismus: Wir leben von unseren Erfahrungen. Wenn ich nur drei Schwarze kenne, die alle gut tanzen, dann erkennt mein Verstand da ein Muster. Das ist vollkommen normal. Wir könnten gar nicht überleben, wenn wir einzelne Erfahrungen nicht verknüpfen würden. Nur: Ich muss bereit sein, diese Verknüpfungen zu korrigieren!

Dann gibt es Vorurteile, die sich negativ auswirken. Das habe ich in meinem ersten Beruf als Opernsängerin öfter erlebt. Dass man mich zum Beispiel in bestimmten Rollen sieht, die nicht zu mir passen, weil man meint, eine Schwarze müsse besonders sinnlich und erotisch sein; oder dass Leute verwundert sind, dass ich so ein intellektueller Typ bin. Überhaupt gibt es im Musiktheater recht viel Rassismus, allerdings meiner Erfahrung nach meistens gegenüber Asiaten.

Und schließlich gibt es hasserfüllten Rassismus. Das erlebe ich so gut wie gar nicht mehr; nur im Internet ist es manchmal heftig. Schlimm war das allerdings als Kind. Ich konnte mich nicht wehren, wenn mir jemand sagte „Geh doch dahin, wo du herkommst“, oder wenn ich beschimpft wurde. Das hat mich sehr getroffen, und ich habe lange gebraucht, um mit den Verletzungen vernünftig umgehen zu können. Mittlerweile kommen unangenehme Situationen kaum noch vor. Ich erlebe aber, dass durch das Zusammenspiel von Migrationskrise und den Versuchen, zu verhindern, dass darüber offen gesprochen wird, Ressentiments wieder gesellschaftsfähig werden. Das beunruhigt mich.

…auch im kirchlichen Umfeld?

Im kirchlichen Umfeld habe ich noch nie Rassismus erlebt, weder unter Protestanten noch unter Katholiken. Das liegt aber auch an meiner Definition. Ich werde zum Beispiel öfter gefragt, wo ich herkomme. Viele Gemeinden haben afrikanische Partnergemeinden, oder hatten einen afrikanischen Priester zu Gast. Das ist also eine normale Frage. Ich weiß aber, dass manche Afrodeutsche diese Frage bereits als „rassistisch“ betrachten. Wenn ich schon diese Frage als Rassismus definiere, klar, dann finde ich überall Rassismus!

Was muss sich ändern, damit unsere Gesellschaft sensibel ist für rassistische Äußerungen, man die Menschen aber auch nicht direkt als Rassist oder Rassistin verurteilt?
Ich denke, wir waren schon mal weiter. Gerade werden US-amerikanische Narrative unreflektiert übernommen. Die passen für Europa aber nun einmal nicht. Wenn man es vereinfacht ausdrückt, ist Rassismus ja begründet darin, dass man die Hautfarbe eines Menschen zu seinem bestimmenden Merkmal erklärt. Genau das tun jetzt aber viele Menschen afrikanischer Abstammung selbst. Sie tun so, als wäre die Hautfarbe das, was sie ausmacht, beschweren sich aber gleichzeitig, wenn andere das dann auch so sehen. Das funktioniert nicht.

Außerdem wird ständig alles in einen Topf geworfen: Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Kolonialismus, Diskriminierung – das sind alles unterschiedliche Sachen. Die ständige Skandalisierung von allem möglichen als Rassismus ist eher kontraproduktiv: Irgendwann winken die Leute nur noch genervt ab, wenn man mit dem Thema kommt. Wenn ich über Rassismuserfahrungen spreche, reagieren die meisten Deutschen entsetzt, weil sie es furchtbar finden, und sich gar nicht vorstellen konnten, dass es so etwas wirklich gibt. Und leider gibt es Aktivisten, die aus diesem echten Entsetzen einen Vorwurf machen nach dem Motto: „Genau, und dass du dir das nicht vorstellen kannst, zeigt deine Privilegien, und dass du ein Rassist bist, weil du weiß bist.“ Das ist unfair, und es ist Blödsinn.

Wir sollten da verständnisvoller miteinander umgehen. Viele dunkelhäutige Menschen in Deutschland haben schlechte Erfahrungen gemacht und sind deshalb sehr empfindlich. Darauf können Weiße achten. Und Schwarze könnten etwas reflektierter und differenzierter mit Begriffen wie Rassismus umgehen, und darauf achten, nicht Menschen für ihre Verletzungen verantwortlich zu machen, die gar nichts dafür können.

Zur Person: Anna Diouf ist gebürtige Kölnerin, Halbsenegalesin und Konvertitin (von lutherisch zu römisch-katholisch). Sie ist ausgebildete Musikerin und hat einige Berufsjahre am Theater als Opernsängerin verbracht. Heute ist sie Redakteurin bei einem katholischen Fernsehsender und betreibt den Blog „Katholisch ohne Furcht und Tadel“.