Ablehnung und Anerkennung: Als Person of Colour im Gemeindekirchenrat

Susanne Gooding als Person of Colour (PoC) versucht, Beruf und kirchliches Ehrenamt in einer Kirchengemeinde in Berlin-Wedding unter einen Hut zu bringen. Mehr Diversität fände sie schön.

Susanne Gooding
Susanne Goodingprivat

Einmal im Monat steigt Susanne Gooding mittwochabends in die ­U-Bahn. Da hat sie schon einen langen Tag hinter sich; kurz vor sieben Uhr geht sie los zur Arbeit. Sie ist für ein Unternehmen tätig, das Konzerne unterstützt, die Fachkräfte aus dem Ausland oder aus Deutschland einstellen wollen.

An diesem Mittwoch um 18 Uhr beginnt für sie die Gemeindekirchenratssitzung in der Ostergemeinde in Berlin-Wedding. Vor 21 Uhr endet sie nicht. Kurz vor der Wahl zum Gemeindekirchenrat (GKR) 2022 sprach sie jemand an. Es fehlten Kandidierende für eine zulässige Wahl. Nur als ­Ersatzkandidatin, meinte Gooding und stimmte zu. Mehr Kinder und Jugendliche für die Gemeinde zu interessieren, sei ihr wichtig, erklärte sie bei ihrer Vorstellung in der ­Gemeinde. Dafür wolle sie sich einsetzen. Das kam an. Bei der GKR-Wahl erhielt Gooding die höchste Stimmzahl.

Tradition und Moderne in Kirche vereinen

Seit einem Jahr ist sie dabei. ­Beruf und Ehrenamt unter einen Hut zu bringen ist nicht leicht. „In der Woche kann ich kaum etwas ­zusätzlich übernehmen“, stellt sie bedauernd fest. Abends ist sie oft müde. Zu den Sitzungen kommt sie regelmäßig und die Arbeit macht ihr sehr viel Spaß. Vor allem gefällt ihr, andere Ansichten kennenzu­lernen. Manches frustriert aber auch. Wenn Themen immer wieder vertagt werden müssen, zum ­Beispiel, weil Zahlen fehlen, die nicht zu­geliefert werden. Doch die Freude überwiegt. Bei der nächsten GKR-Wahl 2025 würde sie wieder kandidieren.

„Ich würde mich dafür einsetzen, dass Traditionelles in der Gemeinde erhalten bleibt, aber auch dafür, dass wir moderner und attraktiver werden für jüngere Leute, für Kinder und junge Familien. Damit wir auffallen.“ Aber wie? Susanne Gooding denkt an die vielen Familien auf den Spielplätzen im Sprengelkiez. „Vielleicht indem wir die Leute ansprechen und fragen: Was fehlt euch in der Gemeinde?“ Direkt oder auf einer Veranstaltung, zu der die Gemeinde einlädt. Erst mal ins ­Gespräch kommen. Dann einen ­Fragebogen verteilen, den jeder in Ruhe zu Hause ausfüllen und in den Kirchbriefkasten werfen kann. „Kinder sind die Zukunft. Irgendwann sind wir Älteren weg – und wer kommt dann nach?“

Rassismuserfahrungen – auch in der Kirchengemeinde

Susanne Gooding ist Deutsche und PoC (Person of Color). Ihr Vater stammte aus Nigeria, ihre Mutter aus dem Wedding. Auch ihre Mutter war bereits in der Ostergemeinde engagiert. Es kommt vor, dass Gooding als Schwarze Frau beschimpft oder gemieden wird. In der Kirchengemeinde gab es vor Jahren ein Gemeindeglied, das zwar ihre Mutter, aber sie und ihre Schwester nicht grüßte und so tat, als kenne sie sie nicht. Lag das an ihrer Hautfarbe? Sie weiß es nicht. „Wenn, dann wäre das traurig.“ ­Susanne Gooding bekam kein ­Gesangbuch von der Person, wenn diese sonntags Kirchdienst hatte. „Sie drehte sich weg“, erzählt sie. „Ich war so wütend.“

Inzwischen ist das Gemeindeglied nicht mehr da. „Unsere Gemeinde ist offen, aber es traut sich trotzdem kein PoC zu uns, obwohl in unserem Kiez viele wohnen.“ Sonntags nach dem evangelischen Gottesdienst feiert eine Gemeinde aus Ghana dort Gottesdienst. Man teilt sich die Osterkirche, begrüßt sich, die Kinder spielen in der Kinderecke der Kirche. Aber die ­einen gehen, wenn die anderen kommen. „Es wäre schön, wenn da mehr ­Diversität wäre“, sagt Gooding.

Die Frage nach der Herkunft

Anders ist das in der amerikanischen Kirche am Potsdamer Platz. „Da gibt es alles Mögliche an Typen und Hautfarben, der Gottesdienst wird auf Englisch und auf Deutsch gehalten. Viele, die nicht so gut Deutsch sprechen, suchen solche internationalen Gemeinden.“

Kränkt es sie, wenn sie jemand wegen ihrer Hautfarbe nach ihrer Herkunft fragt, obwohl sie Deutsche ist? „Es kommt darauf an, wie man diese Frage stellt. Wenn ich merke, dass jemand wirklich interessiert ist, nett und direkt fragt und keine Spiele mit mir spielt, kann ich auch ­offen darauf antworten. Sonst schütze ich mich.“