Ex-Verfassungsrichter: Empörung nach Übergriffen hilft nicht

Körperliche Attacken im Wahlkampf, Drohungen und Hetze in Sozialen Medien: Derartige Vorfälle sorgten zuletzt für Empörung. Dies allein genügt nicht, mahnt der frühere Ministerpräsident Peter Müller.

Wer einen Politiker oder eine Politikerin tätlich angreift, verachtet oft die staatliche Ordnung und den Politbetrieb in Gänze: Darauf weist der frühere Verfassungsrichter Peter Müller hin. Um derartige Vorfälle zu ahnden, brauche es indes keine neuen Straftatbestände, sondern eine konsequente Anwendung von bereits bestehendem Recht, schreibt er in der “Süddeutschen Zeitung” (Wochenende). Dafür bräuchten die Staatsanwaltschaften ausreichend Personal, mahnt der ehemalige Ministerpräsident des Saarlands. Derzeit drohe der Rechtsstaat “ins Schlingern” zu geraten.

Politische Verantwortliche müssten ihrerseits mit Respekt, Rücksichtnahme und Toleranz gegenüber Andersdenkenden vorangehen. “Das schließt die konsequente Auseinandersetzung in der Sache nicht aus”, erklärt der CDU-Politiker. “Politik ist keine Veranstaltung des Gesangsvereins ‘Harmonie’. Da muss es auch mal hart zur Sache gehen. Davon zu unterscheiden ist die ehrabschneidende Diskreditierung der Person.”

Müller sieht zudem Eltern gefragt, entsprechende Werte in der Erziehung zu vermitteln. Der “Grundkonsens der Demokraten” müsse allgemein klarer hervortreten: “Außerhalb jedes Streites” müssten etwa die Unantastbarkeit der Menschenwürde, die Ächtung von Gewalt, die Gleichberechtigung von Mann und Frau, der Respekt vor kulturellen und religiösen Identitäten sowie der Schutz von Minderheiten stehen. Wer dagegen aufbegehre, vertrete keine “schweigende Mehrheit”, sondern sei “Teil einer isolierten, sich außerhalb der Gemeinschaft stellenden Minderheit”.

Müller kritisierte ein “allgemein übliches Politiker-Bashing”. Politik sei ein “Knochenjob”, den die allermeisten machten, “um einen Beitrag zu leisten, unser Land stärker und gerechter zu machen. Statt naserümpfender Distanz verdient dies Respekt und Anerkennung”.