Bevor ein Schuh im Regal landet, geht er durch viele Hände. Damit die nicht zu viel arbeiten oder von Kindern sind, sollen Firmen Verantwortung für die Lieferkette tragen – aber doch nicht zu viel, entschied die EU.
Das EU-Parlament hat endgültig grünes Licht für Lockerungen des Lieferkettengesetzes gegeben. Die Abgeordneten billigten am Dienstag in Straßburg Änderungen, nach denen nur sehr große Unternehmen mit mehr als 5.000 Mitarbeitenden bestimmte Sorgfaltspflichten erfüllen müssen. Bei Verstößen drohen geringere Strafen als ursprünglich geplant. Außerdem können Geschädigte die Firmen nicht auf EU-Ebene zur Rechenschaft ziehen. Erst ab mehr als 1.000 Beschäftigten und mit mehr als 450 Millionen Euro Jahresnettoumsatz müssen Unternehmen Berichte über soziale und ökologische Nachhaltigkeit vorlegen.
Ziel der Lieferkettengesetzgebung ist es, Menschenrechte weltweit zu stärken und die Firmen mitverantwortlich zu machen. Unternehmen argumentierten, dass es hohe bürokratischen Belastungen seien, Regelverstöße entlang der teils komplexen Lieferketten zu prüfen und Berichte zu verfassen.
Die EU-Staaten und das Parlament hatten sich in der vergangenen Woche nach politischen Auseinandersetzungen geeinigt. Neben inhaltlichen Streitpunkten gab es bei einer früheren Abstimmung im Europaparlament zum Lieferkettengesetz nicht die übliche Mehrheit von konservativen, sozialdemokratischen und liberalen Parteien. Stattdessen wurde nun auch die finale Abstimmung mit Unterstützung rechter und rechtsextremer Parteien auf den Weg gebracht.
Der Entscheidung des EU-Parlaments muss noch der Rat zustimmen. Dies gilt als Formsache. Die aktualisierten Nachhaltigkeitsregeln sind Teil eines Vereinfachungspakets, um Bürokratie abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken. Die aktuelle Abstimmung bedeutet eine Lockerung des EU-Lieferkettengesetzes, bevor es überhaupt in Kraft getreten ist. Die Sorgfaltspflichten gelten ab Juli 2029.
Das EU-Lieferkettengesetz wurde im April vergangenen Jahres beschlossen. Einschneidend für Debatten um die Verantwortung von Firmen für ihre Produkte entlang der ganzen Lieferkette war der Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch. 2013 starben in Rana Plaza mehr als 1.100 Frauen, weil zu wenig Rücksicht auf Arbeitssicherheit gelegt wurde. Damals war das Entsetzen in Europa groß. In Rana Plaza und ähnlichen Fabriken in Bangladesch werden T-Shirts, Hosen und Hemden für den deutschen und europäischen Markt genäht.