EU-Kommission mit Migrationspolitik zunehmend unter Druck

Die EU-Kommission gerät wegen ihres Migrationsabkommens mit Tunesien weiter unter Druck. Es mehren sich Zweifel, ob die Vereinbarung, die unter anderem 105 Millionen Euro für die Eindämmung irregulärer Einreisen über das Mittelmeer vorsieht, mit den 27 EU-Mitgliedstaaten hinreichend abgestimmt war. Kommissionssprecherin Dana Spinant wollte entsprechende Journalistenfragen am Montag nicht mit Ja beantworten. Unklar blieb auch, ob und wie viel Geld schon an Tunesien floss.

Die EU sieht die am 16. Juli unterzeichnete Absichtserklärung mit der Regierung des zunehmend autoritär agierenden Präsidenten Kais Saied als Modell für Abkommen mit anderen nordafrikanischen Staaten, beispielsweise Ägypten. Die Kooperation mit Tunesien steht wegen menschenrechtlicher Bedenken in der Kritik, auch seitens der Europäischen Bürgerbeauftragten Emily O’Reilly. Sie veröffentlichte am Freitag einen Fragenkatalog an die EU-Kommission.

Die stellvertretende EU-Chefsprecherin Spinant sagte zum Zustandekommen der Tunesien-Vereinbarung: „Wir sind überzeugt, dass die Verfahren eingehalten wurden und wir die politische Rückendeckung des Europäischen Rates hatten.“ Zugleich räumte sie ein, die Kommission arbeite unter Zeitdruck, insbesondere wenn es um rasch sich entwickelnde Situation gehe. Daher könne „der Zeitplan ein wenig kürzer sein, als es sich vielleicht einige Mitgliedstaaten gewünscht hätten“. Aber es sei „ganz klar, dass wir die Verfahren unter engen Fristen einhalten“, so Spinant.

Nach Auskunft der EU-Kommission soll das Abkommen mit Tunesien als Modell für entsprechende Vereinbarungen unter anderem mit Ägypten dienen. Konkrete Verhandlungen gebe es aber noch nicht. Seitens EU-Diplomaten bestehen Zweifel, ob das bislang nur als Absichtserklärung bestehende Tunesien-Abkommen je in die Praxis umgesetzt wird. Zudem herrscht unter den Mitgliedstaaten offenbar Unmut über eine mangelnde Einbeziehung im Vorfeld.

Angesichts gestiegener irregulärer Einreisen aus Nordafrika mehren sich Rufe nach einem EU-einheitlichen Umgang mit Migranten und Asylsuchenden. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni vertraten bei einem gemeinsamen Besuch am Sonntag auf der italienischen Insel Lampedusa, wo derzeit besonders viele Menschen aus Nordafrika landen, unterschiedliche Lösungsansätze. Ein Migrations- und Asylpaket der EU ist auf dem Gesetzgebungweg, wird bis zur Verabschiedung aber noch Monate brauchen.