Acht Tote nach Amoklauf bei Zeugen Jehovas in Hamburg

Ein Amokläufer erschießt in einem Gemeindehaus der Zeugen Jehovas sieben Menschen und sich selbst. Sein Motiv bleibt unklar, ein anonymer Hinweis auf den Mann verhindert die Tat nicht.

Im Erdgeschoss dieses Gebäudes starben die Opfer des Amokschützen
Im Erdgeschoss dieses Gebäudes starben die Opfer des Amokschützenepd-bild / Philipp Reiss

Bei einem Amoklauf in einer Gemeinde der Zeugen Jehovas in Hamburg sind acht Menschen ums Leben gekommen. Die Polizei geht davon aus, dass ein ehemaliges Mitglied der Glaubensgemeinschaft für die Tat verantwortlich ist. Der 35 Jahre alte Mann mit deutscher Staatsangehörigkeit sei beim Eintreffen der Einsatzkräfte in den ersten Stock des Gebäudes geflohen und habe sich dort selbst erschossen.

Die Ermittler werteten es als Glücksfall, dass Spezialeinsatzkräfte der Polizei in der Nähe und entsprechend schnell vor Ort waren. Dadurch seien weitere Opfer verhindert worden. Laut Polizei hatten sich rund 50 Gemeindemitglieder in dem Gebäude im Stadtteil Alsterdorf versammelt. Acht Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer. Die Getöteten sind zwei Frauen, vier Männer sowie ein ungeborenes Kind im Alter von 28 Wochen.

Kanzler befürchtet weitere Opfer

Laut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) könnte die Zahl der Todesopfer weiter steigen. „Es steht zu befürchten, dass weitere Opfer ihren schweren Verletzungen erliegen werden“, sagte er am Rande eines Treffens mit Wirtschaftsvertretern in München. Der Kanzler sprach von einem „schrecklichen Vorfall in meiner Heimatstadt Hamburg“. „Wir sind fassungslos angesichts dieser Gewalt“, sagte er.

Hinweise auf einen terroristischen Hintergrund gebe es nicht, sagte Ralf Peter Anders, Leiter der Staatsanwaltschaft Hamburg, bei einer Pressekonferenz. Der mutmaßliche Täter sei bei der Polizei bislang nicht auffällig geworden.

In der Nacht durchsucht der Kampfmittelräumdienst vorsorglich das Gebäude
In der Nacht durchsucht der Kampfmittelräumdienst vorsorglich das GebäudeImago / Andre Lenthe

Vor anderthalb Jahren hat der mutmaßliche Täter die Zeugen Jehovas verlassen. Ob er freiwillig ging oder ausgeschlossen wurde, darüber gebe es unterschiedliche Zeugenaussagen, sagte Thomas Radszuweit, Leiter des Hamburger Staatsschutzes. „Das Motiv für die Tat lässt sich derzeit noch nicht sicher feststellen“, sagte er. Der Mann habe die Tatwaffe als Sportschütze legal besessen.

Im Januar hat die Hamburger Polizei einen Hinweis erhalten, wonach der Mann psychisch krank sein könnte und somit nicht geeignet sei, eine Waffe zu besitzen. Das teilte der Hamburger Polizeipräsident Ralf Peter Meyer mit. Der Mann soll dem Hinweis zufolge eine besondere Wut auf seinen ehemaligen Arbeitgeber und auf religiöse Anhänger gehabt haben, besonders auf die Zeugen Jehovas.

Bei Kontrolle kooperativ

Bei Recherchen der Waffenbehörde und einem anschließenden Gespräch mit dem Mann bei einer unangekündigten Kontrolle im Februar in seiner Wohnung hätten sich jedoch keine weiteren Anhaltspunkte für eine psychische Erkrankung ergeben. Der 35-Jährige sei kooperativ gewesen und habe sich einsichtig gezeigt, als ihn die beiden Polizeibeamten wegen eines Projektils außerhalb des für Waffe und Munition vorgesehenen Tresors verwarnt hätten. „Die rechtlichen Möglichkeiten der Beamten waren damit ausgeschöpft“, sagte Meyer.

Bestatter tragen eines der Opfer aus dem Gebäude
Bestatter tragen eines der Opfer aus dem Gebäudeepd-bild / Philipp Reiss

Der Hamburger Innensenator Andy Grote (SPD) lobte den Einsatz der Polizei vom Donnerstagabend. Wenige Minuten nach den ersten Notrufen seien Einsatzkräfte vor Ort gewesen, die zufällig in der Nähe und gerade dabei gewesen seien, ihren Dienst zu beenden. Es sei davon auszugehen, dass sie vielen Menschen das Leben gerettet hätten. „Das ist das schlimmste Verbrechen in der jüngsten Geschichte unserer Stadt“, sagte Grote.

Weitere Politiker und Repräsentanten der Kirchen äußerten sich bestürzt über die Tat. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach den Betroffenen seine „tiefe Anteilnahme an diesem Tag des Schmerzes“ aus. Für den Nachmittag wurde Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) am Tatort in Hamburg erwartet.

Die Zeugen Jehovas äußerten sich „tief betroffen“. „Unser tiefes Mitgefühl gilt den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen“, heißt es in einer Stellungnahme von Jehovas Zeugen in Deutschland auf der Website der Glaubensgemeinschaft.

 

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Auch die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs zeigte sich erschüttert: „Diese furchtbare Gewalttat lässt uns fassungslos zurück“, erklärte die evangelische Theologin. Der Generalvikar des katholischen Erzbistums Hamburg, Pater Sascha-Philipp Geißler, erklärte, die Nachrichten zur Tat seien „erschütternd und machen mich sprachlos“. Die Nordkirchen-Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt erklärte, die Tat habe sie entsetzt und zutiefst erschüttert.