“Einer der furchtbarsten Tage” der sächsischen Justiz

Im Dresdner Landgericht haben Vertreterinnen und Vertreter aus Gesellschaft und Justiz an die 2009 nach einer Gerichtsverhandlung ermordete Muslimin Marwa El-Sherbini erinnert. Sachsens Justizministerin Katja Meier (Grüne) betonte am Montag vor rund 80 Gästen: „Das Gedenken ist uns als Gesellschaft Mahnung und Auftrag für die Zukunft.“ Der rassistisch motivierte Mord an El-Sherbini markiere „einen der furchtbarsten Tage in der Geschichte der sächsischen Justiz“.

Dieses „unfassbare Verbrechen“ verändere auch den Ort, an dem es sich ereignete: „Das Gerichtsgebäude ist jetzt auch ein Gedenkort“, sagte die Justizministerin.

Die Muslimin Marwa El-Sherbini hatte am 1. Juli 2009 am Landgericht Dresden als Zeugin ausgesagt. Unmittelbar danach wurde sie vor den Augen ihrer Familie von dem Angeklagten aus islamfeindlichen Motiven niedergestochen. Ihr Mörder hatte sie zuvor auf einem Dresdner Spielplatz beleidigt. Er wurde im November 2009 zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt.

Der Vorsitzende des Hauses der sozialen Vielfalt in Leipzig, Azim Semizoglu, erinnerte an die Brutalität der Tat. Angesichts dessen laufe vielen auch nach 15 Jahren ein kalter Schauer über den Rücken. Es beunruhige ihn, wenn bei Vorfällen von antimuslimischem Rassismus immer noch von Einzeltätern gesprochen werde. Juristisch sei dies wohl korrekt. Doch aus gesellschaftlicher Sicht greife diese Sichtweise zu kurz.

Semizoglu sagte, negative Stereotype seien allgegenwärtig. Damit werde Fremdenfeindlichkeit manifestiert. Eine demokratische Gesetzgebung garantiere gleiche Rechte für alle. Es brauche „Momente der positiven Integration“. Wichtig sei vor allem, Schubladen im Denken zu öffnen.

Für die stellvertretende Leiterin der Jungen Islam Konferenz, Jasemin Seven, bleibt der antimuslimische Rassismus ein großes Hindernis für gleiche Rechte und gleiche Chancen. Der Mord sei eine Erschütterung, verbunden mit Ohnmacht und Angst. Es gebe zahlreiche Musliminnen und Muslime, die sich fürchteten, Opfer zu werden, falls sie ihre Rechte in Anspruch nehmen. Dabei würden sie nach wie vor im Alltag beschimpft, beleidigt und angegriffen.

Antimuslimische Einstellungen seien in der Gesellschaft tief verankert, sagte Seven. Es sei eine gesellschaftliche Aufgabe, dem Nährboden von Hass und Gewalt entgegenzuwirken, forderte sie. Der Gedenktag sei Anlass, „in uns zu gehen“ und über die Erinnerung an El-Sherbini hinaus zu fragen, was Justiz und Gesellschaft gegen Rassismus beitragen können.

Die Richterin am Bundesverfassungsgericht, Astrid Wallrabenstein, betonte in ihrem Vortrag, Gerichtsverfahren stünden in einem gesellschaftlichen Kontext, sie müssten ihre Verantwortung für den Einzelnen wahrnehmen. Mit dem Grundgesetz gebe es ein wirksames Instrument gegen Diskriminierung. Dies gelte es zu nutzen.

Eine weitere Gedenkveranstaltung war in Dresden für Montagabend vor dem Landgericht im Marwa-El-Sherbini-Park geplant.