Eine Kampagne gegen Gewalt an Rettungskräften

Angepöbelt, bespuckt, angegriffen: Obwohl sie helfen wollen, werden Einsatzkräfte immer häufiger Zielscheibe von Angriffen. Die Kampagne #GewaltAngehen will darauf aufmerksam machen.

Gewalt gegen Rettungskräfte kommt immer häufiger vor
Gewalt gegen Rettungskräfte kommt immer häufiger vorImago / A. Friedrichs

Frühmorgens vor einer Gaststätte gerät Notfallsanitäter Daniel Schon in eine brenzlige Situation. Er sitzt am Steuer, hinten im Rettungswagen ist ein betrunkener Patient, der herausgelassen werden möchte. Schon hält an, öffnet die Hintertür des Wagens – „da kommt er mir schon mit einem Karatesprung entgegen und ringt mich nieder“, berichtet der 49-Jährige, der seit 30 Jahren im Rettungsdienst tätig ist.

Während er früher meist dankbar als Retter empfangen worden sei, hätten Angriffe – besonders verbale – in den vergangenen zwei Jahren stark zugenommen. Diese Wahrnehmung teilt sein Kollege, der Rettungsassistent Philipp Rother: „Ich fühle mich manchmal wie der Fußabtreter der Nation.“ Die 22-jährige Rettungssanitäterin Sara Schätz der Johanniter-Unfallhilfe erlebt fast täglich Beleidigungen und übergriffige Kommentare wie etwa den, ob sie nicht bleiben und sich mit ins Bett hineinlegen wolle.

Rettungssanitäter: Warum gehen die mich an?

Bei dem 27-jährigen Mohammad Mangal sind es vor allem rassistische verbale Angriffe. „Ich komme aus Afghanistan, das passt manchen Patienten nicht.“ Während seiner Ausbildung sei er – je nachdem, wo ein Einsatz war – auf Anraten der Kollegen schon mal im Auto geblieben. Immer wieder frage er sich: „Ich bin hier, um zu helfen. Warum gehen die mich an?“

Die Rettungskräfte sprechen beim Auftakt der bundesweiten Kampagne unter dem Motto #GewaltAngehen, die die Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung (DGUV) anlässlich des Tags des Ehrenamtes gestartet hat. Schirmherr der Kampagne ist Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD). Mit Motiven in den Sozialen Medien und an Bushaltestellen in einer Reihe von Großstädten will die Kampagne auf das Problem aufmerksam machen.

Die DGUV fordert eine breite politische und gesellschaftliche Solidarität mit den Beschäftigten, die sich um die Rettung von Menschenleben kümmern – oftmals ehrenamtlich. Dazu zählen Rettungssanitäter und auch Freiwillige Feuerwehr. Bund, Länder und Kommunen sollten alle Möglichkeiten für Sicherheit und Gesundheit der Rettungskräfte prüfen, hieß es. Täterinnen und Täter sollten konsequent zur Rechenschaft gezogen werden.

Besonders brutal waren gewaltsame Übergriffe auf Einsatzkräfte in der Silvesternacht des vergangenen Jahres in Berlin-Neukölln. Für die öffentliche Aufmerksamkeit sei dieses Ereignis wesentlich gewesen, so ein DGUV-Sprecher.

Angriffe auf Rettungskräfte: Gesetze verschärft

Bereits seit 2017 gibt es ein eigenes Gesetz, das schärfere Straftatbestände für Angriffe auf Rettungs- und Sicherheitskräfte verankert. Bis zu fünf Jahre Haft können seitdem für solche Angriffe verhängt werden.

Denn bei den Erfahrungen der Rettungskräfte handelt es sich nicht um Einzelfälle. Eine Umfrage der Feuerwehr-Unfallkasse Niedersachsen unter mehr als 1.300 Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr in diesem Jahr ergab, dass etwa ein Drittel der Befragten bereits von Gewalt im Dienst betroffen gewesen sei. Laut DGUV stieg seit 2020 vor allem die verbale Gewalt stark.

Eine gute Nachricht

Berufsgenossenschaften und Unfallkassen meldeten im Jahr 2022 mehr als 14.000 meldepflichtige gewaltbedingte Unfälle bei der Arbeit oder bei ehrenamtlicher Tätigkeit. Beschäftigte aus allen Branchen seien betroffen gewesen.

Welche Gründe sehen die Rettungskräfte für den Anstieg der Angriffe? Philipp Rother sieht es so: „Wenn ich irgendwo Frust an jemandem auslassen möchte, rufe ich halt die 112.“ Oft seien sie die erste Angriffsfläche für wütende Bürgerinnen und Bürger.

Die gute Nachricht ist: Dem Ruf von Rettungskräften unter jungen Leuten scheint dies keinen Abbruch zu tun. Denn Nachwuchsmangel herrscht weder bei der Freiwilligen Feuerwehr noch beim Rettungsdienst. Im Gegenteil: Bei der Feuerwehr etwa sei die Tendenz steigend. Auch aufgrund der Flutkatastrophe im Ahrtal sei das Ansehen von Rettungskräften unter jungen Leuten gestiegen.