Ein Optimist mit gelegentlichen Zweifeln

Von der Grenzöffnung bis zum schweren Zug-Unglück von Eschede – in 40 Jahren hat der Theologe viel erlebt. Jetzt geht Regionalbischof Gorka in den Ruhestand und hat seine Berufswahl nie bereut.

Der Hildesheimer Regionalbischof Eckhard Gorka vor der St. Michaeliskirche
Der Hildesheimer Regionalbischof Eckhard Gorka vor der St. MichaeliskircheJens Schulze / epd

Hildesheim. Zweifel am Glauben sind dem Hildesheimer Regionalbischof Eckhard Gorka immer wieder mal gekommen. „Ich habe viele dramatische Ereignisse miterlebt, aber keines hatte das Potenzial, meinen Glauben kaputtzumachen“, sagt der 65-jährige evangelische Theologe. Seine Berufswahl habe er keinen Tag lang bereut. Ende Februar geht Gorka nach 40 Berufsjahren in den Ruhestand – der Abschiedsgottesdienst findet wegen Corona erst im Sommer statt.

Der gebürtige Braunschweiger erinnert sich etwa noch genau an das Zugunglück von Eschede vor mehr als 20 Jahren. Als einer der Notfallseelsorger habe er damals eine von insgesamt 101 Todesnachrichten überbracht. „Ich habe den Zug gesehen und die Fragilität unserer Hochleistungstechnik, die wie ein Haufen Schrott da lag.“ Auch dramatische Trauerfälle, etwa Beerdigungen von Jugendlichen, haben seinen Glauben immer wieder auf den Prüfstand gestellt.

Keinen Plan B gebraucht

Für den Fall, dass ihm „der Glaube abhandenkommt“, habe er schon früh vorgesorgt, sagt Gorka. So studierte er in Göttingen und München nicht nur Theologie, sondern im Nebenfach auch Zeitungswissenschaften. „Wenn man bei der Theologie nicht mehr auf den eigenen Glauben bauen kann, dann kann man ja nicht ein Gottesschauspieler werden oder so tun als ob“, sagt er. Zum Plan B ist es aber nie gekommen.

Protestanten und Katholiken reißen im Juni 2006 einer Mauer ein, die die evangelische Michaeliskirche und das katholische Michaeliskloster jahrhundertelang voneinander getrennt hat.  Hier begrüßt Gorka den Bischof Trelle
Protestanten und Katholiken reißen im Juni 2006 einer Mauer ein, die die evangelische Michaeliskirche und das katholische Michaeliskloster jahrhundertelang voneinander getrennt hat. Hier begrüßt Gorka den Bischof TrelleJens Schulze / epd

Seine journalistische Ausbildung konnte Gorka dennoch immer wieder fruchtbringend im Berufsleben einsetzen. Schon während seiner Probezeit als Pfarrer in Jork im Landkreis Stade schrieb er für die Stader „Evangelische Zeitung“. 1988 wurde Gorka Leiter der Pressestelle der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. „Eine spannende Zeit“, findet der Theologe im Rückblick: von der Öffnung der innerdeutschen Grenze über Fragen zu gleichgeschlechtlichen Paaren im Pfarrhaus bis hin zu den politischen Auseinandersetzungen um die Castor-Transporte nach Gorleben.

1993 wurde er Superintendent des Kirchenkreises Soltau und damit Dienstvorgesetzter von kirchlichen und diakonischen Mitarbeitern. Sieben Jahre später, im Jahr 2000, wurde ihm dann die Stelle des Landessuperintendenten für den Sprengel Hildesheim angeboten.

Sprengel zusammengelegt

Wenn er auf die vergangenen 20 Jahre zurückblicke, bleibe ihm vor allem die Zusammenlegung der beiden Sprengel Hildesheim und Göttingen nachhaltig in Erinnerung, erzählt er. Seit 2007 ist Gorka für ein Gebiet zwischen Peine und Hameln, Hildesheim und Göttingen zuständig. Rund 460.000 evangelische Christen leben im südlichsten der insgesamt sechs Sprengel. Die „Toskana der Landeskirche“ sei von einem unglaublichen Reichtum an Sakralgebäuden geprägt, schwärmt Gorka.

Obgleich der Sprengel groß ist und die Wege weit sind, besteht für Gorka ein idealer Arbeitstag aus möglichst vielen persönlichen Begegnungen und möglichst wenig Zeit im Büro. „Ich fand meinen Beruf schon beeindruckend, als ich an einem Tag sowohl ein Polizeipräsidium als auch eine forensische Psychiatrie besucht habe. Und überall gingen die Türen auf.“ Größere Kontraste und unterschiedlichere Einblicke bieten wohl nicht allzu viele andere Berufe, ist Gorka überzeugt.

Optimistische Zukunft für die Kirche

Die Zukunft der Kirche sieht Gorka optimistisch. Er will sie nicht allein an Studien festmachen, die eine drastisch sinkende Kirchenmitgliederzahl bis 2060 prognostizieren. „Da muss man schon noch mal mit der Gegenwart Gottes rechnen – und die ist nicht berechenbar für uns Menschen.“ Die Kirche sei zwar kleiner geworden, aber in gleichem Maße auch deutlich lebendiger, sagt er etwa mit Blick auf die vielen Menschen, die sich zu Prädikanten und Lektoren ausbilden lassen. In seinen gesamten 40 Berufsjahren sei außerdem noch nie so intensiv über das Weihnachtsfest diskutiert worden wie im vergangenen Jahr. „Es ist zu früh für einen Abgesang auf die Kirche.“

Wie seine persönliche Zukunft aussieht, lässt Gorka größtenteils offen. „Ich habe kein Gefühl dafür, wie es ist, wenn man nicht arbeiten muss.“ Er werde in Hildesheim wohnen bleiben, wo seine Frau als Landespastorin für die Bläserarbeit in der hannoverschen Landeskirche weiter arbeite. Einige Ehrenämter werde er zunächst weiterführen. Bis zu seinem 70. Lebensjahr bleibe er Abt des Klosters Amelungsborn bei Holzminden und bis 2023 Mitglied des NDR-Verwaltungsrats. Und von einem ist Gorka nach wie vor fest überzeugt: Jederzeit würde er wieder Theologie studieren. „Ich bin die ganze Zeit in meinem Beruf ausgesprochen glücklich gewesen.“ (epd)