Ein Jahr ohne Kernkraft: Fraunhofer ISE zieht positive Bilanz

Ein Jahr nach der Abschaltung der letzten drei deutschen Atomkraftwerke Emsland, Neckarwestheim und Isar am 15. April 2023 zieht das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE eine positive Bilanz. Die Kernkraft sei durch die gestiegene Erzeugung aus erneuerbaren Energien energetisch ersetzt worden, teilte das Institut am Montag in Freiburg mit. Die Stromerzeugung aus fossilen Energien sei in Deutschland zurückgegangen. Dies sei durch Stromeinsparung, Eigenstromerzeugung aus Photovoltaik, eine reduzierte Last und Stromimporte aus dem Ausland kompensiert worden. Die Strompreise seien auf das Niveau von 2021 gefallen.

In ihrem letzten Betriebsjahr haben die deutschen Kernkraftwerke 29,5 Terawattstunden (TWh) Strom erzeugt und 6,3 Prozent der öffentlichen Nettostromerzeugung geliefert. Im ersten Jahr ohne Kernenergie seien ungefähr 270 TWh erneuerbarer Strom erzeugt worden, 33 TWh mehr als im Vorjahreszeitraum, sagte Bruno Burger, Leiter der Datenplattform energy-charts.info des Fraunhofer ISE. Die erneuerbaren Energien hätten zwischen April 2023 und April 2024 einen Anteil von 58,8 Prozent an der elektrischen Last – der Summe aus dem öffentlichen Stromverbrauch und den Netzverlusten – gehabt. Im ersten Jahr ohne Kernenergie wurden laut Fraunhofer ISE ungefähr 154,4 TWh Strom aus Kohle, Erdgas, Öl und Müll erzeugt, ihr Anteil an der öffentlichen Nettostromerzeugung sank auf 33,7 Prozent.

Die Stromimporte sind im ersten Jahr ohne deutsche Kernkraftwerke gestiegen. Grund dafür, so die Mitteilung, seien die deutlich gefallenen Börsenstrompreise. „Im Sommer haben die erneuerbaren Kraftwerke in den Alpen und in Dänemark, Norwegen und Schweden günstigen Strom erzeugt, sodass die deutschen Kohlekraftwerke nicht konkurrenzfähig waren“, sagte Burger. Außerdem hätten französische Kernkraftwerke, die nach den Ausfällen im Jahr 2022 wieder am Netz waren, überschüssigen Strom exportiert. Deutschland habe genügend Kraftwerkskapazität, um sich jederzeit selbst zu versorgen: Einer Last von etwa 75 GW stünden in Deutschland etwa 90 GW an nicht-fluktuierenden Erzeugungskapazitäten gegenüber. Dazu kämen die erneuerbaren Erzeuger Solar (etwa 85 GW), Wind (etwa 70 GW) und Pumpspeicher (etwa 9,5 GW). Der Import von 23 TWh Strom, gegenüber 21,3 TWh Export im Vorjahr, liege nicht an mangelnden Erzeugungskapazitäten in Deutschland.

Der durchschnittliche monatliche Day-Ahead Börsenstrompreis liegt laut Fraunhofer ISE im April 2024 bei 48,39 Euro/MWh oder 4,8 Cent/kWh. Das entspreche dem Niveau von April 2021. (0773/15.04.2024)