Analyse zum Klimagipfel: Ein Abschied mit Diskussionsbedarf

Was viele für undenkbar hielten, ist Wirklichkeit geworden: Ausgerechnet in Dubai einigt sich die Weltgemeinschaft auf den Abschied von fossilen Brennstoffen. Doch manche Fragen bleiben offen.

Emotionale letzte Sitzung der Klimakonferenz: Außenministerin Annalena Baerbock mit Vertretern der  Marshall Islands
Emotionale letzte Sitzung der Klimakonferenz: Außenministerin Annalena Baerbock mit Vertretern der Marshall IslandsImago / Photothek

Bis zuletzt wurde in Dubai gerätselt, was Sultan al-Dschaber als Präsident der Weltklimakonferenz antreibt. Wurde der Öl-Manager und Industrieminister der Vereinigten Arabischen Emirate von der Dynamik für einen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas lediglich überrumpelt? Wollte er einen ambitionierten Beschluss also verhindern?

Oder sah der 50-Jährige die Chance, als derjenige in die Geschichte einzugehen, der ein neues Kapitel im Klimaschutz aufschlägt – im Zweifelsfall gegen die eigenen Geschäftsinteressen?

Nach wenigen Minuten fällt der Klima-Hammer

Jedenfalls hatte er es eilig, am Mittwochvormittag nach 24-stündiger Verlängerung die Abkehr von Kohle, Öl und Gas zu besiegeln. Nur wenige Minuten nach Beginn des Plenums fiel der Hammer zu dem historischen Beschluss.

Da brandete Jubel unter den Delegierten aus fast 200 Staaten auf. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) berichtete später von den Tränen in den Augen vieler Konferenzteilnehmer.

Doch wie auch die Motive Al-Dschabers weiter für Diskussionen sorgen, dürfte auch die Reichweite des Beschlusses Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen werden. Denn anders als von mehr als 100 Ländern gefordert, ist von einem Ausstieg („phase out“) in dem 21-seitigen Text nicht die Rede. Stattdessen einigten sich die Staaten auf einen Übergang weg von den fossilen Brennstoffen. Die ohnehin schon komplizierte Fachsprache der Klimadiplomatie ist um einen interpretationsbedürftigen Begriff reicher.

Baerbock zog dann auch gleich die Pflöcke ein. „Diese Klimakonferenz besiegelt de facto das Ende des fossilen Zeitalters“, sagte sie in einer Pressekonferenz, da lief das Plenum ein paar Meter weiter im Saal noch.

Klimagipfel: Wie interpretieren China und Indien den Text?

UN-Generalsekretär António Guterres reagierte verhaltener und verwies darauf, dass in dem Dokument ein Ausstieg („phase out“) aus Kohle, Öl und Gas nicht ausdrücklich erwähnt wird.

Ob aufstrebende Industrienationen wie China oder Indien den Text genauso wie die deutsche Außenministerin interpretieren, wird sich zeigen. Völkerrechtlich verbindlich ist er nicht. Kein Land kann dazu gezwungen werden, ihn umzusetzen. Gleichwohl ist der Beschluss die Grundlage für die nächste Runde der nationalen Klimaschutzbeiträge, die bis 2025 eingereicht werden müssen.

Spannend wird vor allem, wie sich Saudi-Arabien, der mächtige Nachbar der Vereinigten Arabischen Emiraten, zu dem Beschluss verhält. Denn es waren laut Beobachtern vor allem die Saudis, die jegliche Einigung auf dem Gipfel lange blockierten.

In der Kritik: Konferenz-Präsident Sultan al-Dschaber
In der Kritik: Konferenz-Präsident Sultan al-DschaberImago / Kyodo News

Doch auch der Generalsekretär der Organisation erdölfördernder Länder (Opec), Haitham al-Ghais, machte Ärger. Mit einem Brief an die 13 Mitgliedsstaaten wollte er verhindern, dass ein Beschluss zum Ausstieg gefällt wird, wie internationale Medien zu Beginn der zweiten Woche berichteten.

Für Entsetzen sorgte bei vielen Delegationen dann ein erster, wenige Stunden vor dem offiziellen Ende der Konferenz vorgelegter Beschlussentwurf von Al-Dschaber. Darin wurde lediglich eine Reduktion von Produktion und Konsum fossiler Brennstoffe empfohlen – und damit deutlich weniger als in früheren Vorschlägen.

Die Konferenz war da kurz vor dem Scheitern. Und auch das Vertrauen in Al-Dschaber, nebenbei auch Chef des staatlichen Öl-Konzerns Adnoc, war am Tiefpunkt angelangt. Gerüchte über ein Machtwort seitens der eigenen Regierung machten auf dem Konferenzgelände die Runde.

Nächtelang wurde verhandelt

Es folgte ein Verhandlungsmarathon, der sich durch zwei Nächte zog, bis der neue Beschlussentwurf auf dem Tisch lag. Auf dem Konferenzgelände zogen da schon die Arbeitskolonnen los, um die Kaffeebuden, Länderpavillons und Bühnen abzubauen.

Möglicherweise wollten Länder wie Saudi-Arabien am Ende nicht isoliert als Blockierer da stehen. Über die zwei Wochen hatte sich eine breite Allianz von deutlich mehr als 100 Ländern zusammengefunden, die einen Abschied von Kohle, Öl und Gas besiegeln wollten.

„Historische Errungenschaft“

Nachdem der Hammer gefallen war, trat Al-Dschaber sichtlich gelöst ans Rednerpult. Der Beschluss sei eine „historische Errungenschaft“, sagte er.

Al-Dschabers Platz in der Geschichte dürfte ihm sicher sein. Doch ob in Dubai wirklich der Einstieg in den Ausstieg aus fossiler Energie eingeleitet wurde, muss sich zeigen.