Eigentlich ein ganz guter Junge
Der Künstler Siegfried Assmann schuf in Norddeutschland zahlreiche Kunstwerke – auch für sakrale Orte. Jetzt ist er im Alter von 96 Jahren gestorben. Ein Nachruf.
Großhansdorf. Es ist schwer, noch kein Werk von Siegfried Assmann gesehen zu haben, zumindest wenn man in Schleswig-Holstein oder Hamburg wohnt: Der St. Georg-Brunnen am Südermarkt in Heide, der „Gettorfer Teufel“ am Alexanderplatz von Gettorf, die „Seglergruppe“ im Yachthafen von Grömitz sind ebenso Beispiele seiner sehr vielfältigen profanen Arbeiten wie die „Streithähne“ vor dem Amtsgericht in Bad Segeberg oder der „Jung mit’n Tüdelband“ – im Mai 2019 enthüllt – in der Hamburger Neustadt. Oder das monumentale Mahnmal für die in deutscher Gefangenschaft verstorbenen sowjetischen Soldaten und Zwangsarbeiter an der Gedenkstätte Gudendorf in Dithmarschen.
Doch das ist nur die eine Seite seines Schaffens. Seine Sakralkunst ist kaum wegzudenken aus vielen Kirchen. Das Altarkreuz der evangelischen Kirche von Wedel und die Darstellung der Hochzeit zu Kana in St. Stephan im Hamburger Stadtteil Wandsbek-Gartenstadt stammen aus Assmanns Werkstatt ebenso wie mehrere Glasfenster in der evangelischen St. Michaelis-Kirche in Eutin und im Meldorfer Dom.
Für die katholische Kirche St. Franz Joseph in Harburg hat er die Abendmahlszene geschaffen, sein Graffito vom „himmlischen Jerusalem“ ziert die Außenfassade der katholischen Heilig-Geist-Kirche in Großhansdorf und seine letzten großen Kirchenfenster schuf er für die katholische Kirche zu den heiligen Engeln in Glinde.
Mit Kunstharz und Glas
Eine seiner bedeutendsten Arbeiten ist jedoch im Kloster Nütschau zu finden. Dort gestaltete der Künstler den Raum der Stille im Bildungshaus St. Ansgar, vor allem aber die 1975 geweihte Klosterkirche St. Ansgar: die Bleiverglasung an drei Seiten des Kirchraums sowie – in Kunstharz und Glas ausgeführt – Altar, Ambo und Retabel mit Tabernakel. Das Thema des Retabels ist der Offenbarung des Johannes entnommen und zeigt den wiederkommenden Christus inmitten der neuen Stadt Jerusalem.
„Die Bleiverglasung nimmt die Farben der umgebenden ostholsteinischen Landschaft auf: das Blau des Wassers der Trave und des Himmels, das Dunkel der Moorerde, die hellen Töne von Sand, Mergel und Lehm, der Moränen und Feldsteine. Die Farben verdichten sich hin zu den Regenbogentönen der Westseite und lösen sich bei der Retabel in Transparenz des Lichtes auf; sie wollen den Raum der Kirche und der Schöpfung zueinander durchlässig halten und zum göttlichen Bereich hin öffnen“, heißt es in einem Faltblatt des Benediktinerklosters.
Beim Werkstattbesuch in Großhansdorf Ende August vergangenen Jahres erinnerte sich der hochbetagte Künstler noch gut an Pater Gaudentius, der seinerzeit Prior war, als die Kirche nach Plänen der Architekten Eduard Frieling und Rolf Harms gebaut wurde. „Es kamen phantastische Gespräche zustande“, so Siegfried Assmann, der seinen Besucher von der Kirchenzeitung mit Baskenmütze, rotem Schal und Jackett empfing. Mit dabei war seine Tochter Stefanie Assmann-Och, die sich mit großer Aufmerksamkeit um das Wohlbefinden ihres Vaters kümmerte.
Klar vor Augen
Die Erinnerung an Vergangenes, sie ließ sich bei diesem Gespräch nicht immer leicht in Worte fassen. Aber Siegfried Assmann stand sie klar vor Augen.
Geboren am 1. Februar 1925 in Kirchplatz westlich von Posen (heute Boruja Koscielna), wuchs der Junge, dessen älterer und ebenfalls in den bildenden Künsten begabter Bruder später im Krieg fiel, in einem evangelisch geprägten Haushalt auf. Der Vater war Lehrer – auch für Religion, leitete den Kirchenchor und war Organist der Gemeinde; die Mutter kümmerte sich um die Familie. Die Jungs wurden gefördert und besuchten das Gymnasium. Siegfried Assmann lernte das Geigenspiel am Konservatorium in Posen.
Zur Wehrmacht einberufen
1943 wurde er im Alter von 18 Jahren zur Wehrmacht einberufen und geriet 1945 in Österreich in Kriegsgefangenschaft. „Es war ja mein Glück, dass ich in Kriegsgefangenschaft war“, erinnerte sich Assmann. Denn dort wurde er ebenfalls unterstützt. Zwar hatte er am Gymnasium schon viel gezeichnet, doch ältere Mitgefangene, die selbst künstlerisch tätig waren, zeigten ihm so manchen Kniff. Schnell wurde der junge Soldat zum gefragten Porträtisten, der Wärter, ihre Freundinnen oder Familienangehörige zu Papier brachte – manchmal entlohnt durch die eine oder andere Zigarette.
Als sich Assmann nach der Entlassung aus der Gefangenschaft an der damaligen Landeskunstschule (heute: Hochschule für bildende Künste Hamburg) bewarb, wurde er gleich in die Meisterklasse von Theo Ortner aufgenommen. Er studierte Grafik, Malerei, Wandgestaltung und Glasfenstermalerei. Unter seinen Mitstudenten war auch Horst Janssen, zu dem er jedoch keine engen Kontakte aufbaute.
Die Breite des Studiums zeigte sich später auch in Assmanns Arbeiten. Diese seien geprägt von „vielen Materialien in vielen Bereichen“, wie seine Tochter erläuterte. Sein erster Auftrag – ein Rosettenfenster in der Hauptkirche St. Petri in der Hamburger Mönckebergstraße – wurde dem jungen Künstler durch den evangelischen Bischof Theodor Knolle vermittelt. Er verschaffte ihm auch den Kontakt zu einer Glaswerkstatt am Bodensee, wo sich Assmann weiteres technisches Wissen erwarb. „Ich durfte nichts anfassen, aber ich durfte zugucken“, erzählte er.
Aufträge auf Empfehlung
Mit dem Geld der ersten Aufträge erwarb er das Grundstück in Großhansdorf bei Hamburg, auf dem er erst seine Werkstatt und dann ein Haus baute. Der Garten ist voll von seinen Arbeiten. An der Hauswand etwa findet sich der heilige Franz von Assisi im Zwiegespräch mit einem Vogel, von weiteren Vögeln umringt – die Darstellung der Legende von der Vogelpredigt. Doch auch einige Akte hat der Künstler geschaffen. „Mein Vater hat immer großen Wert darauf gelegt, Gefühle darzustellen“, so Stefanie Assmann-Och. Dies galt sowohl für seine sakrale Kunst wie auch für Akte oder die wiederkehrende See-Thematik. Inhalte seien ihm immer sehr wichtig gewesen, weshalb er sich bei seinen Aufträgen für Kirchenfenster oder andere sakrale Kunst immer intensiv in die Materie hineinarbeitete. Die meisten seiner Aufträge erhielt er auf Empfehlung.
Andeutungen waren ihm nicht genug
Abstraktes zu gestalten, das war Siegfried Assmann zu wenig. „Andeutungen, das ist mir nicht genug“, sagte er. Vielfältig begabt, wie er war, spielte er auf hohem Niveau bis ins hohe Alter Geige im Segeberger Sinfonieorchester, und jahrelang ging er fast täglich golfen. Gearbeitet hat er immer, oft bis tief in die Nacht. „Ich nehme an, dass der liebe Gott mich nicht strafen braucht. Ich war ja eigentlich ein ganz guter Junge“, meinte er im Gespräch schmunzelnd.
Er habe, so sagte der Künstler, „keine feste Vorstellung von dem Herrgott. Aber die ganze Idee, die ist gut. Da kann man wirklich nichts sagen.“ Man dürfe wohl glücklich sein, „wenn der liebe Herrgott einen zu sich nehme“. Dieser hat Siegfried Assmann nun am 7. Juni im Alter von 96 Jahren heimgerufen.