Eigennützige Hirten

Über Macht als Selbstzweck schreibt Klaus Kuske. Er ist Gemeindepastor in Schwerin.

Der Predigttext des folgenden Sonntags lautet: „Wehe den Hirten, die sich selbst weiden!“ aus Ezechiel 34,1-31

Seit einiger Zeit üben sich viele Menschen in heftiger Politiker-Schelte: „Die da oben!“, „Merkel muss weg!“, „Lügenpresse“ hört man nicht nur in unserem schönen Dresden. Was da zum Establishment zählt, überzieht man mit Häme, Hass und Hohn.
Haben diese Menschen etwa alle den Propheten Ezechiel gelesen und verstanden? Der jedenfalls übte sich schon vor zweieinhalbtausend Jahren in heftiger Obrigkeitskritik: „Wehe den Hirten Israels, die sich selbst weiden! Das Schwache stärkt ihr nicht, und das Kranke heilt ihr nicht, das Verwundete verbindet ihr nicht, das Verirrte holt ihr nicht zurück, und das Verlorene sucht ihr nicht; das Starke aber tretet ihr nieder mit Gewalt.“
Macht als Selbstzweck zur eigenen Bereicherung. Die Liste der eigennützigen Hirten dieser Welt wäre lang. Welch ein Trauerspiel, all diese schlecht geweideten Völker. Wie verhältnismäßig gut haben wir es da doch. Die meisten Menschen wären froh, „so schlecht“ wie die Deutschen leben zu können.
Aber ist es Aufgabe irdischer Hirten, Schwache zu stärken, Kranke zu heilen, Verwundete zu verbinden, Verlorene zu suchen? Erwartet nicht viel zu viel, wer solches von Parteien und Bundeskanzlerin erwartet? Irdische Hirten sollen irdische Dinge klären. Gerechtigkeit, Sicherheit auf den Straßen, Freundschaft mit den Nachbarn, eine überschaubare Teuerung. Wer das erlebt, wird gut regiert.
Was darüber hinausgeht, erwarten wir klugerweise nicht von Politikern. Das erwarten wir von Gott, unserem himmlischen Hirten. Er sorgt für uns. Er gibt sich hin, damit wir leben. Gott führt uns auf die fette Weide. Dort erwartet er rechtes Verhalten: Zertrampelt den anderen nicht das Gras. Stellt euch mit euren Dreckbeinen nicht in ihr Trinkwasser. Gott gibt mir Verantwortung für die Weide, für unser Gemeinwesen. Es zeugt nicht von Klugheit, die da oben zu beschimpfen, selbst aber untätig zu bleiben. Auch das letzte Schaf, der letzte Untertan sollte doch erkannt haben: Unser Gemeinwesen ist so gut, wie ich es mitgestalte. Nicht der Hirte macht glücklich. Glückseligkeit findet, wer sich auf die Spuren des guten Hirten begibt und ihm nachfolgt.
Unser Autor
Klaus Kuske
ist Gemeindepastor in Schwerin-Lankow (Mecklenburg-Vorpommern).
Zum Predigttext des folgenden Sonntags schreiben an dieser Stelle wechselnde Autoren. Einen neuen Text veröffentlichen wir jeden Mittwoch.